
Neutralität
Autor: Roland Marxer | Stand: 31.12.2011
Neutralität eines Staats wird gemeinhin als Nichtbeteiligung und Unparteilichkeit bei einem Krieg zwischen anderen Staaten verstanden. Sie basiert in der Regel auf einer einseitigen Erklärung, die von allen anderen Staaten anerkannt wird, oder auf einem Staatsvertrag.
Bis 1866 konnte Liechtenstein aufgrund seiner Mitgliedschaft im Deutschen Bund keine Neutralitätspolitik betreiben. Liechtenstein hatte 1806 und 1809 mit Nassau, 1814 mit Baden sowie 1836 mit Hohenzollern-Hechingen und Hohenzollern-Sigmaringen Militärverträge geschlossen und beteiligte sich an mehreren militärischen Konflikten direkt oder indirekt, zuletzt 1866 am Preussisch-Österreichischen Krieg. 1852–1919 war Liechtenstein durch eine Zollunion eng mit Österreich-Ungarn verbunden, was im Ersten Weltkrieg problematisch wurde. Obwohl Liechtenstein seit 1868 über kein Militär mehr verfügt und es sich während des Kriegs neutral verhielt, wurde es aufgrund der Zollunion besonders von Frankreich und Italien nicht als neutral anerkannt – zumal Liechtenstein es beim Kriegsbeginn 1914 auf Wunsch Fürst Johanns II. unterlassen hatte, eine offizielle Neutralitätserklärung abzugeben. Dies hatte unter anderem zur Folge, dass beim Kriegsausbruch Frankreich, Russland und England liechtensteinische Staatsangehörige internierten und zum Teil deren Vermögen beschlagnahmten und Liechtenstein ab 1916 in die Handelsblockade der Entente-Mächte mit einbezogen wurde. Kurz vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs hingegen erklärte Liechtenstein am 30.8.1939 seine Neutralität und teilte dies über die Schweizer Vertretungen den Mächten mit. Die Kriegführenden nahmen dies zustimmend zur Kenntnis und respektierten die liechtensteinische Neutralität während des Kriegs. Seither orientiert sich die liechtensteinische Neutralitätspolitik weitgehend an jener seiner beiden Nachbarstaaten. Während jedoch der Schweiz (seit 1815) und Österreich (seit 1955) der Status der international anerkannten immerwährenden Neutralität zukommt, hat Liechtenstein diesen Status nicht und muss seine Neutralität im Einzelfall erklären. Aufgrund der Mitgliedschaft bei den Vereinten Nationen (UNO) ist Liechtenstein seit 1990 in deren System der kollektiven Sicherheit eingebunden und verpflichtet, Embargobeschlüsse des Sicherheitsrats umzusetzen (so z.B. gegenüber Ruanda 1994).
Literatur
- Veronika Mittermair: Die Neutralität Liechtensteins zwischen öffentlichem und fürstlichem Interesse, in: Bausteine zur liechtensteinischen Geschichte. Studien und studentische Forschungsbeiträge, hg. von Arthur Brunhart, Bd. 3: 19. Jahrhundert. Modellfall Liechtenstein, Zürich 1999, S. 43–97.
- Rupert Quaderer: Neutralitäts- und Souveränitätsprobleme Liechtensteins im Umfeld des Ersten Weltkriegs, in: Kleinstaat und Menschenrechte. Festgabe für Gerard Batliner zum 65. Geburtstag, Basel/Frankfurt am Main 1993, S. 43–61.
Zitierweise
<<Autor>>, «Neutralität», Stand: 31.12.2011, in: Historisches Lexikon des Fürstentums Liechtenstein online (eHLFL), URL: <<URL>>, abgerufen am 6.2.2025.