
Notverordnung
Autor: Andreas Kley | Stand: 31.12.2011
Bei der Notverordnung handelt es sich um die in der Regel dem Staatsoberhaupt oder der Regierung zustehende Kompetenz, im Fall von ausserordentlichen Notlagen die nötigen Vorkehren innert nützlicher Frist zu treffen. In Liechtenstein besitzt der Fürst diese Kompetenz. Sie findet ihren Ursprung in der Konstitutionellen Verfassung von 1862 und wurde in die Verfassung von 1921 überführt. Danach kann der Fürst «in dringenden Fällen […] das Nötige zur Sicherheit und Wohlfahrt des Staates vorkehren» (Art. 10). In rechtsstaatlicher Hinsicht genügt diese Formulierung dem Erfordernis eines qualifizierten Notstands gemäss Art. 15 Abs. 1 EMRK nicht. Das Verfassungsgesetz vom 16.3.2003 hat die Notverordnungskompetenz sachlich und zeitlich beschränkt; die Schranken sind marginal. Notverordnungen wurden 1943 (Verlängerung der Mandatsdauer des Landtags), 1982 (Schliessung einer Gesetzeslücke im Bereich des Drogenhandels) und 1990 (Beteiligung am UNO-Wirtschaftsboykott gegenüber Irak und Kuwait) erlassen. Sie können im politischen Prozess zum Drohmittel werden, wie unter anderem die Staatskrise 1992 gezeigt hat.
Die Notverordnung darf nicht mit dem extrakonstitutionellen Staatsnotrecht verwechselt werden. Dieses wurde in Liechtenstein etwa 1933 (Vollmachtengesetz), 1939 (Anordnung kriegswirtschaftlicher Massnahmen) und 1940 (Evakuierungsmassnahmen) angerufen, um dem Notstand zu begegnen.
Literatur
- Peter Bussjäger: Art. 10 LV, in: Kommentar zur liechtensteinischen Verfassung. Online-Kommentar, hg. vom Liechtenstein Institut, Bendern 2016.
- David Beattie: Liechtenstein. Geschichte und Gegenwart, Triesen 2005, S. 250f.
- Günther Winkler: Verfassungsrecht in Liechtenstein. Demokratie, Parlamentarismus, Rechtsstaat, Gewaltenteilung und politische Freiheit in Liechtenstein aus verfassungsrechtlichen, verfassungsrechtsvergleichenden, verfassungsrechtspolitischen und europarechtlichen Perspektiven, wien 2001, S. 78–86.
- Arno Waschkuhn: Politisches System Liechtensteins: Kontinuität und Wandel, Vaduz 1994 (= Liechtenstein Politische Schriften, Bd. 18), S. 118–124.
- Andreas Schurti: Das Verordnungsrecht der Regierung des Fürstentum Liechtenstein, St. Gallen 1989, S. 71–74.
- Gregor Steger: Fürst und Landtag nach liechtensteinischem Recht, Vaduz 1950, S. 77–82.
Zitierweise
<<Autor>>, «Notverordnung», Stand: 31.12.2011, in: Historisches Lexikon des Fürstentums Liechtenstein online (eHLFL), URL: <<URL>>, abgerufen am 12.2.2025.