
Patronat (Kirchensatz)
Autor: Herbert Wille | Stand: 31.12.2011
Unter dem Patronat versteht man die Gesamtheit der Rechte und Pflichten, die einer natürlichen oder juristischen Person an einer Kirche oder einem kirchlichen Amt zustehen. Das wichtigste Recht des Patrons ist das Präsentationsrecht, d.h. das Recht, bei der Besetzung eines Kirchenamts (Pfründe) dem Bischof mit grundsätzlich bindender Wirkung einen geeigneten Seelsorger vorzuschlagen. Zu seinen Pflichten zählen v.a. die Dotierung des bepfründeten Kirchenamts (Besoldung des Pfarrers oder Kaplans) und das Tragen der Baulast an der betreffenden Kirche.
Das Rechtsinstitut des Patronats ist eine Erfindung der Kanonistik und der gregorianischen Kirchenreform des 12. Jahrhunderts. Es löste in der Zeit nach dem Investiturstreit das Eigenkirchenwesen ab und diente der Kirche als finanzielle Grundlage, indem Stifter von Kirchen, Kapellen und Seelsorgestellen gewonnen wurden, denen im Unterschied zu den vormaligen Eigenkirchen kein Besetzungsrecht, sondern nur das Präsentationsrecht gewährt wurde. Am Patronatswesen beteiligten sich Adel, Klöster und andere kirchliche Institute, im Spätmittelalter auch Gemeinden, Städte und patrizische Geschlechter. Im Unterschied etwa zu Graubünden traten in der Grafschaft Vaduz und der Herrschaft Schellenberg keine bäuerlichen Verbände als Stifter von Pfründen auf – mit Ausnahme der Kirchgenossen von Schaan, die 1503 an der Pfarrkirche eine Kaplanei stifteten, aber nur ein gemeinsam mit dem Landesherrn auszuübendes Nominationsrecht hatten.
Die Patronate der liechtensteinischen Pfarreien befanden sich stets in verschiedenen Händen, vornehmlich bei den Landesherren bzw. Fürsten, dem Churer Bischof und Domkapitel und auswärtigen Klöstern. Seit dem 19. Jahrhundert sind einige Gemeinden im Besitze des Patronats und den damit verbundenen Mitwirkungsrechten bei der Besetzung von Pfarrämtern. Über Wahlrechte aufgrund eines Vorschlags des Bischofs verfügen Balzers (seit 1824), Triesen (1863) und Gamprin für die Pfarrei Bendern (1874), die Gemeinde Mauren hat das Präsentationsrecht inne (1918). Die Rechte und Pflichten des Patrons stehen nicht immer demselben Organ zu. So tragen in Eschen, Ruggell, Triesenberg und Vaduz die Gemeinden die finanziellen Lasten, während der Landesfürst das Präsentationsrecht ausübte, bis er 1999 zugunsten des Erzbischofs von Vaduz darauf verzichtete. In Schaan liegt das Präsentationsrecht beim Domkapitel Chur, das es seit der Abtrennung Liechtensteins vom Bistum Chur 1997 nicht mehr ausübt. In Schellenberg haben die Missionare vom Kostbaren Blut das Präsentationsrecht inne.
Nachdem die Einkünfte aus den Pfrundvermögen für den Unterhalt der Seelsorgegeistlichen nicht mehr genügten, wurden die Gemeinden 1921 gesetzlich verpflichtet, bei Pfrundeinkommen, die ein bestimmtes Mindestgehalt nicht erreichten, den Fehlbetrag zu ersetzen. Heute geht der Lohn der katholischen Seelsorgegeistlichen vollständig zulasten der Gemeinden. Nach dem Gesetz über die Regelung der Baukonkurrenzpflicht bei Kirchen- und Pfrundbaulichkeiten von 1868 hat der Patron in Ermangelung eines verfügbaren Kirchenvermögens für die Kirchengebäude aufzukommen.
Wie das geltende katholische Kirchenrecht anerkennt auch das liechtensteinische Staatskirchenrecht die Patronate als vorbestehende Rechte und Pflichten. Gemäss dem Codex Iuris Canonici von 1917 können aber keine neuen Patronate mehr begründet werden.
Literatur
- Donath Oehri: Welche konkreten Probleme stellen sich für die Gemeinden?, in: Staat und Kirche. Grundsätzliche und aktuelle Probleme, hg. von Herbert Wille und Georges Baur, Vaduz 1999 (= Liechtenstein Politische Schriften, Bd. 26), S. 290–302.
- Réne Pahud de Mortanges: Gegenwart und Zukunft der Patronatsrechte in Liechtenstein, in: Staat und Kirche. Grundsätzliche und aktuelle Probleme, hg. von Herbert Wille und Georges Baur, Vaduz 1999 (= Liechtenstein Politische Schriften, Bd. 26), S. 151–162.
- Alois Ospelt: Pfarrei – Gemeinde – Pfarrgemeinde. Vermögensverhältnisse, Kirchengutsverwaltung und Kirchenrechnungsführung am Beispiel von Vaduz, in: Staat und Kirche. Grundsätzliche und aktuelle Probleme, hg. von Herbert Wille und Georges Baur, Vaduz 1999 (= Liechtenstein Politische Schriften, Bd. 26), S. 114–150.
- Wolfgang Müller: Zur Kirchen- und Pfarreigeschichte, in: Das Fürstentum Liechtenstein. Ein landeskundliches Portrait, hg. von Wolfgang Müller, Bühl/Baden 1981, S. 33–62.
- Herbert Wille: Staat und Kirche im Fürstentum Liechtenstein, Freiburg 1972 (=Freiburger Veröffentlichungen aus dem Gebiete von Kirche und Staat, Bd. 15).
Zitierweise
<<Autor>>, «Patronat (Kirchensatz)», Stand: 31.12.2011, in: Historisches Lexikon des Fürstentums Liechtenstein online (eHLFL), URL: <<URL>>, abgerufen am 10.2.2025.