
Pfadfinder und Pfadfinderinnen
Autor: Klaus Biedermann | Stand: 31.12.2011
Die 1907 vom britischen General Robert Baden-Powell gegründete Pfadfinderbewegung fasste 1931 in Liechtenstein Fuss. Sie ist eine der ältesten und grössten liechtensteinischen Jugendorganisationen. Ziele sind die Erziehung zu Gemeinschaftssinn, Übernahme von Verantwortung und respektvollem Umgang mit der Natur. Im Zentrum stehen gemeinsame spielerische Erlebnisse in naturnaher Umgebung, besonders die Durchführung von Zeltlagern. Zur altersgerechten Arbeit mit Kindern und Jugendlichen bestehen vier Stufen: Bienle und Wölfle (7–11 Jahre), Pfadfinder (11–15 Jahre), Pioniere (15–18 Jahre) sowie Ranger und Rover (ab 18 Jahren, ohne Altersbeschränkung).
Bei Aufräumarbeiten nach der Rheinüberschwemmung von 1927 waren Pfadfinder aus der Schweiz und aus Österreich beteiligt, wodurch Liechtenstein erstmals in Kontakt mit der Pfadfinderbewegung kam. Erste Pfadfinderabteilungen in Liechtenstein wurden 1931 in Schaan und 1932 in Vaduz gegründet. Ab 1932 gab es in beiden Gemeinden auch Pfadfinderinnen. Weitere Abteilungen folgten sukzessive. Eine wichtige Rolle bei der Gründung 1931 spielte Alexander Frick. Die Entwicklung der patriotisch und fürstentreu ausgerichteten Pfadfinderbewegung wurde besonders ab dem Anschluss Österreichs an Hitler-Deutschland 1938 durch das Fürstenhaus und die Regierung gezielt gefördert, um die Jugend dem Nationalsozialismus und dem Einfluss der Volksdeutschen Bewegung in Liechtenstein zu entziehen. So wuchs die Zahl der Pfadfinder von 230 (1938) auf 650 (1939). Andererseits wurde 1942, in der Zeit der schärfsten Auseinandersetzung zwischen Pfadfindern und NS-Anhängern, jüdischen Kindern in Vaduz und Schaan die Mitgliedschaft versagt. Zur Stärkung des Unabhängigkeitswillens organisierten Pfadfinder ab 1940 «Nationale Jugendspiele» in Vaduz. 1941 wurde ein unentgeltlicher landwirtschaftlicher Hilfsdienst der Pfadfinder eingerichtet. Heimat- und Unterhaltungsabende förderten den Zusammenhalt.
Krisen durchlebte die Organisation nach 1945 sowie nach 1968, während geburtenstarke Jahrgänge in den 1950er und 80er Jahren einzelne Abteilungen neu belebten. 2006 zählten alle liechtensteinischen Abteilungen zusammen 760 Mitglieder, davon 325 weibliche. 1944–68 erschien die Pfadfinderzeitung «Die Jugend», seit 1979 der «Knoten».
Der 1931 gegründete Liechtensteinische Pfadfinderbund trat spätestens ab 1933 als Fürstlich Liechtensteinischer Pfadfinderkorps St. Georg auf. Als dessen Korpsführer von 1933 bis 1971 war Prinz Emanuel von Liechtenstein jahrzehntelang die Integrationsfigur der liechtensteinischen Pfadfinderschaft. 1938 entstand das Fürstlich Liechtensteinische Pfadfinderinnenkorps St. Maria. Die beiden Verbände fusionierten 1989 zum Landesverband der Pfadfinder und Pfadfinderinnen in Liechtenstein (PPL). Dieser umfasst neun autonome, vereinsmässig in den Gemeinden organisierte Abteilungen (2007); Organe sind die Delegiertenversammlung, die Landesleitung und der Vorstand. Seit 1987 besteht die Pfadfinder-Gilde Liechtenstein für erwachsene Pfadfinder sowie Freunde der Pfadfinderbewegung als Nachfolgeorganisation des Alt-Pfadfinder-Verbands (1953 bis Mitte der 1980er Jahre).
Wichtig war und ist die internationale Verbundenheit. 1933 wurde die liechtensteinische Pfadfinderschaft Mitglied der World Organisation of the Scout Movement (WOSM). Im selben Jahr nahmen erstmals liechtensteinische Pfadfinder an einem Jamboree (Weltpfadfindertreffen) teil. 1952 folgte die Aufnahme der liechtensteinischen Pfadfinderinnen in die World Association of Girls Guides and Girl Scouts (WAGGGS). 1953 fand in Vaduz die 14. Internationale Pfadfinderkonferenz mit 175 Delegierten aus 31 Ländern statt. Die liechtensteinischen Pfadfinder und Pfadfinderinnen wirken regelmässig an internationalen Anlässen mit.
Literatur
- Klaus Biedermann: 75 Jahre Pfadfinderinnen und Pfadfinder Vaduz 1932-2007, hg. von Pfadfinderinnen und Pfadfinder Vaduz, Redaktion: Peter Beck et. al., Vaduz 2007.
- Simon Meier, Peter Eberle, Raphaela Marxer: 75 Jahre Pfadfinder in Liechtenstein, hg. von Pfadfinder und Pfadfinderinnen Liechtensteins, Eschen 2006.
- Klaus Biedermann et al.: Pfadfinderschaft und jüdische Kinder zur Zeit des Nationalsozialismus in Liechtenstein, in: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein, Bd. 99 (2000), S. 217–230.
- Peter Geiger: Krisenzeit. Liechtenstein in den Dreissigerjahren 1928–1939, 2 Bände, Vaduz/Zürich 1997, 22000.
- 50 Jahre Pfadfinder in Liechtenstein 1931–1981, Redaktion: Astrid Beck et al., Vaduz 1981.
Zitierweise
<<Autor>>, «Pfadfinder und Pfadfinderinnen», Stand: 31.12.2011, in: Historisches Lexikon des Fürstentums Liechtenstein online (eHLFL), URL: <<URL>>, abgerufen am 7.2.2025.