Philatelie

Autor: Hermann Hassler | Stand: 31.12.2011

Philatelie ist das Sammeln von Briefmarken und die wissenschaftliche Beschäftigung mit ihnen. Durch die von der staatlichen österreichischen Post betriebene Briefsammlung in Balzers entstanden ab 1.1.1827 Briefe mit Stempeln von Balzers, ab 1845 auch von der Briefsammlung Vaduz. Nach dem Abschluss des Zoll- und Steuereinigungsvertrags zwischen Österreich und Liechtenstein 1852 wurden die 1850 in Österreich eingeführten Briefmarken auch in Liechtenstein verwendet.

Nach 1900 kamen Bestrebungen zur Einführung eigener Briefmarken in Gang. Dies hing u.a. mit der Zunahme des Postverkehrs zusammen; Postämter bestanden inzwischen in Balzers, Vaduz, Nendeln, Schaan und Triesen. Auf Initiative des Landtags und der liechtensteinischen Postmeister schloss Liechtenstein am 4.10.1911 mit Österreich einen Postvertrag. Zur Betonung der liechtensteinischen Souveränität erhielt Liechtenstein das Recht, eigene Briefmarken herauszugeben. Der Erlös für den Verkauf der von der k.k. österreichischen Staatsdruckerei gedruckten liechtensteinischen Marken floss in die liechtensteinische Landeskasse. Sie erschienen offiziell ab dem 1.2.1912. Österreichische Marken, auch Portomarken, Zeitungsmarken, Postkarten usw. fanden in Liechtenstein weiterhin Verwendung, wobei Mischfrankaturen möglich waren. Diese Marken werden als Mitläufer bezeichnet, vor der Einführung liechtensteinischer Briefmarken verwendete österreichische Marken mit liechtensteinischen Stempeln als Vorläufer.

1919 übertrug die Regierung die Herstellung, die Herausgabe und den Vertrieb der Marken einem liechtensteinisch-österreichischen Konsortium gegen Kaution und einen jährlichen Gewinnanteil. Diese Gesellschaft produzierte vertragswidrig zahlreiche Fehldrucke und Abarten in riesigen Mengen. Das Ansehen der liechtensteinischen Briefmarken erlitt Schaden und in Liechtenstein kam es zu politischen Spannungen zwischen Regierung und Opposition. 1922 löste die Regierung den Vertrag mit dem Konsortium auf (→ Briefmarkenaffäre).

Am 1.3.1920 trat ein neuer Postvertrag mit der Republik Österreich in Kraft, den Liechtenstein auf den 31.1.1921 kündigte. Auf den 1.2.1921 schloss Liechtenstein einen Postvertrag mit der Schweiz, der ihm wiederum das Recht beliess, eigene Marken herauszugeben. Die nicht vernichteten Bestände an Konsortiumsmarken in Kronenwährung wurden teilweise mit Frankentaxen überdruckt. Neue Marken wurden unter Verwendung bestehender Motive in Frankenwährung hergestellt. Mangels genügend liechtensteinischer Marken mit Frankentaxwerten war die Verwendung schweizerischer Marken bis 1921, teilweise bis 1930 zugelassen. Die in Liechtenstein gestempelten schweizerischen Marken werden ebenfalls als Mitläufer bezeichnet.

Philatelistischen Interessen dienten mehrere ab 1930 in Liechtenstein stattfindende Sonderflugpostveranstaltungen, u.a. des Luftschiffs Graf Zeppelin, anlässlich deren Sonderstempel bzw. Sondermarken herausgegeben wurden. 1930 erfolgte auf Initiative des Deutschen Hermann E. Sieger die Gründung des Postmuseums. Sieger war NSDAP-Funktionär und Leiter der Reichsorganisation des deutschen Briefmarkenhandels. Die liechtensteinischen Marken gewannen in den folgenden Jahrzehnten zunehmende Beliebtheit bei den Sammlern. 1960 beteiligte sich Liechtenstein erstmals an einer sogenannten Europamarken-Ausgabe. Infolge zu knapper Auflage entwickelte sich diese Marke zu einem sensationellen Spekulationsobjekt und verlieh der Liechtenstein-Philatelie weiteren Auftrieb. 1967 übernahm das neu geschaffene Amt für Briefmarkengestaltung die Erarbeitung von Ausgabenprogrammen, Motiven und Entwürfen sowie die Herstellung der Marken und die Postwertzeichenstelle der Regierung das Marketing und den Vertrieb der Marken. Die bis etwa 1980 international anhaltende Spekulationswelle in der Philatelie führte zu Überbeständen an Marken auf dem Markt. Als grosse Mengen von gehorteten liechtensteinischen Marken abgestossen wurden, brachen die Preise ein. Die Zahl der Abonnenten und der abgesetzten Auflagen begann zu schrumpfen. Deshalb und aufgrund der rasanten Expansion des Etats ist die fiskalische Bedeutung der Philatelie in den letzten Jahrzehnten stark gesunken.

1998 erklärte die Regierung die bis 1995 verausgabten Briefmarken mit wenigen Ausnahmen per 31.12.2001 als frankaturungültig. Damit wollte sie verhindern, dass die Liechtensteinische Post AG, deren Gründung 1999 erfolgte, für ihr entgangene Wertzeichenerlöse Leistungen zu erbringen hätte. Aufgrund des öffentlichen Drucks bewilligte die Regierung dann aber 2001 einen Umtausch der ausser Kurs gesetzten Marken gegen frankaturgültige und entschädigte die Post AG zum Nominalwert der eingetauschten Marken. Auf den 1.1.2006 wurden die staatlichen Briefmarkenstellen (Amt für Briefmarkengestaltung und Postwertzeichenstelle) in die Post AG überführt und das Postmuseum dem Liechtensteinischen Landesmuseum angegliedert. Die Regierung ist weiterhin Herausgeberin der Briefmarken, nimmt jedoch kaum noch Einfluss auf ihre Gestaltung. Ein Briefmarkenkodex, dessen Einhaltung ein Beirat überwacht, soll gewährleisten, dass die liechtensteinischen Briefmarken auch weiterhin ihre Rolle als Botschafter des Kleinstaats zur Dokumentation seiner Souveränität und zur Selbstdarstellung erfüllen.

Sammler von liechtensteinischen Briefmarken befinden sich in aller Welt, schwerpunktmässig aber in Deutschland und in der Schweiz. Mehrere Sammlervereine in verschiedenen Ländern widmen sich der Liechtenstein-Philatelie, als Erster der 1930 gegründete Ring der Liechtenstein-Sammler e. V., Deutschland. 1934 wurde der Liechtensteiner Philatelistenverein (heute Liechtensteiner Philatelisten Verband, LPHV) gegründet. Er gibt seit 1970 den «Liechtensteiner Briefmarkenkatalog» (LBK) heraus (zuletzt 2002).

Ab 1934 führte das Postmuseum zahlreiche Briefmarkenausstellungen durch, ab etwa 1982 in Zusammenarbeit mit dem Amt für Briefmarkengestaltung und der Postwertzeichenstelle. Die Ausstellungen (mit oder ohne Rangierung der Exponate) haben teilweise internationalen Charakter und erfolgen seit 1972 im Zehnjahresrhythmus unter dem Namen LIBA (Liechtensteinische Briefmarkenausstellung). Seit 1978 organisiert der LPHV jeweils fünf Jahre nach einer LIBA eine zusätzliche Briefmarkenausstellung. Seit 2007 ist er, unterstützt von der Liechtensteinischen Post AG, für sämtliche Briefmarkenausstellungen zuständig.

Archive

  • Liechtensteinisches Postmuseum, Vaduz.

Quellen

Literatur

  • Esther Tisa Francini: Liechtenstein und der internationale Kunstmarkt 1933–1945. Sammlungen und ihre Provenienzen im Spannungsfeld von Flucht, Raub und Restitution, Vaduz/Zürich 2005 (= Veröffentlichungen der Unabhängigen Historikerkommission Liechtenstein Zweiter Weltkrieg, Studie 4), S. 45–73.
  • Hermann Hassler: Briefmarken und Postgeschichte. Fürstentum Liechtenstein, hg. vom Postmuseum des Fürstentums Liechtenstein, Redaktion: Hermann Hassler, Vaduz 2002.
  • Vaduz '87. Ausstellungskatalog Jubiläumsausstellung 75 Jahre Liechtenstein-Briefmarken 1912-1987, 6.-9. August, hg. vom Organisationskomitee Vaduz’87, Redaktion: Hermann Hassler, Vaduz 1987.
  • Briefmarkenkatalog. Schweiz, Liechtenstein. 1985, hg. von Richard Borek, Braunschweig 1985.
  • Liechtenstein-Handbuch, hg. vom Ring der Liechtensteinsammler, Reutlingen 1970-.
  • Gerhard Dittrich: Lexikon zur Liechtenstein Philatelie, Reutlingen 1969 (=Schriftenreihe/Ring der Liechtensteinsammler, H. 6).
  • 50 Jahre Liechtensteinische Postwertzeichen 1912-1962. Jubiläums-Festschrift, hg. von der Regierung des Fürstentums Liechtenstein, Redaktion: Bertrand Adams, Vaduz 1962.

Von der Redaktion nachträglich ergänzt

Zitierweise

<<Autor>>, «Philatelie», Stand: 31.12.2011, in: Historisches Lexikon des Fürstentums Liechtenstein online (eHLFL), URL: <<URL>>, abgerufen am 14.2.2025.

Medien

Die erste liechtensteinische Briefmarke im Wert von 10 Hellern, 1912 (Sammlung Elmar Bürzle, Balzers). 1912 erschienen die drei ersten liechtensteinischen Briefmarken mit den Werten 5, 10 und 25 Heller, gestaltet von Koloman Moser. Die Marken trugen die Umschrift «K.K. Oesterr. Post im Fürstentum Liechtenstein» und zeigten das Porträt von Fürst Johann II.
Anteil der Wertzeichenverkäufe und Frankaturerlöse an den Staatseinnahmen (gesamte Staatseinnahmen = 100%) in Prozent
Staatseinnahmen aus Wertzeichenverkäufen und Frankaturerlösen in Millionen Fr., 1921-2005

ZUR VERTIEFUNG
Die ersten Weihnachtsbriefmarken, 1957

Die 40-Rappen-Marke aus der Weihnachtssonderserie von 1957 zeigt den spätgotischen Flügelaltar der Kapelle St. Mamertus in Triesen (heute in der Pfarrkirche St. Gallus) (Bild: https://stamps.postmuseum.li/).