
Polizei
Autor: Herbert Wille | Stand: 31.12.2011
Der Begriff Polizei ist von griechisch polīteía (Staatsverwaltung) über mittellateinisch policīa abgeleitet. Ursprünglich verstand man darunter die gesamte innere Verwaltung (mit Ausnahme des Gerichtswesens) und allgemein den Zustand guter Ordnung des Gemeinwesens. Davon zeugen die im Landsbrauch (17. Jahrhundert) enthaltene «Policey ordnung» und die «Policey- und Landtsordnung des Reichs-Fürstenthums Liechtenstein» von 1732, die zur Bewahrung eines Zustands «guter Polizey» für nahezu alle Lebensbereiche umfassende Verhaltensregeln vorsahen und sich an den Reichspolizeiordnungen der frühen Neuzeit orientierten.
Seit dem späten 18. Jahrhundert wandelte sich der Polizeibegriff. Die liechtensteinische Polizeiordnung von 1843 schränkte die Staats- und Polizeigewalt auf die Gefahrenabwehr und Ordnungssicherung ein und bezweckte besonders den Schutz der bürgerlichen Freiheit, der Person, der Ehre und des Eigentums der Staatsbürger. Polizei im liberalen Verständnis des 20. Jahrhunderts ist dem Wesen nach eine hoheitlich eingreifende Tätigkeit. Zu den geschützten Polizeigütern zählen Leib, Leben, Gesundheit, Ruhe im Sinne von Schutz vor Lärm etc., Sitte, Sittlichkeit. Die geltende Verfassung von 1921 kennt eine Reihe von Bestimmungen, die den Staat zum Schutz dieser Polizeigüter verpflichten. Als Polizei wird heute im materiellen Sinn jene staatliche Tätigkeit verstanden, die der Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung dient. Im organisatorischen Sinn ist damit die staatliche Polizeibehörde bezeichnet, die zur Hauptsache die Gefahrenabwehr zur Aufgabe hat. Ein dritter, formeller Polizeibegriff umfasst zusätzlich die weiteren von der Polizeibehörde wahrgenommenen Tätigkeiten, wie z.B. die Wohlfahrtspflege.
Über die «gute Polizei» zu wachen, oblag in der frühen Neuzeit dem Klerus und den Amtsleuten wie Landammännern, Weibeln und Geschworenen, zudem standen dem für die Polizei verantwortlichen Oberamt im 18. Jahrhundert einige Kontingentssoldaten zur Verfügung. Nach der Abschaffung der Landweibel 1808 bestand das polizeiliche Personal noch aus dem Kanzleidiener und fünf sogenannten Invalidensoldaten (Militärveteranen), bis 1828 zwei vollamtliche, uniformierte und bewaffnete Polizeimänner eingestellt wurden (ab 1830 drei, ab 1852 fünf). 1844 wurde die polizeiliche Oberleitung dem Amtsschreiber unterstellt. Zur Entlastung der zugleich als Amts- und Gerichtsdiener tätigen Polizeimänner wurden 1871 wieder zwei Landweibel angestellt.
Aufgrund der gewachsenen Aufgaben (Verkehrs-, Fremdenpolizei) beseitigte das Polizeigesetz von 1932 die Regelung von 1871 und schuf auf 1933 das «Fürstlich liechtensteinische Sicherheitskorps» mit Sitz im Regierungsgebäude in Vaduz und vorerst sieben Polizisten. 1937 wurde es durch eine Hilfspolizei ergänzt (1937: 19 Mann, 1945: 52, 1950: 38). Das als besondere Amtsstelle der Landesverwaltung ausgestaltete Sicherheitskorps wurde mit dem Polizeigesetz von 1989 in «Liechtensteinische Landespolizei» umbenannt (Begriff schon im Verwaltungsorganisationsgesetz von 1973 verwendet). Sie erhielt 1991 ein eigenes Polizeigebäude ausserhalb von Vaduz. Die zur Hauptsache mit der Gefahrenabwehr betraute Landespolizei wird auch als Sicherheits- oder Vollzugspolizei bezeichnet und unterscheidet sich von der Verwaltungspolizei, die in den einzelnen Verwaltungsbereichen den entsprechenden Amtsstellen übertragen ist (z.B. die Gewerbepolizei sowie teilweise die Feuer-, Sicherheits- und Gesundheitspolizei dem Amt für Volkswirtschaft, die Fremdenpolizei dem Ausländer- und Passamt, der Gewässerschutz dem Amt für Umweltschutz etc.).
Die Aufgaben, Organisation sowie die Rechte und Pflichten der Landespolizei regelt das Polizeigesetz von 1989, das 2007 umfassend revidiert worden ist. Die Landespolizei gliedert sich in das Kommando, in Abteilungen, Gruppen und Stabsstellen. Den Führungsstab bilden der Polizeichef, der Stabschef und die Abteilungsleiter. Die Leitung des Führungsstabs obliegt dem Polizeichef, diejenige der Abteilungen den Abteilungsleitern. Die Abteilungen bestehen aus den Kommandodiensten, der Sicherheits- und Verkehrspolizei sowie der Kriminalpolizei. Die Kommandodienste nehmen logistische und administrative Aufgaben wahr. Die Verkehrs- und Sicherheitspolizei ist für den allgemeinen polizeilichen Ersteinsatz im gesamten Aufgabenbereich der Landespolizei bestimmt. Ihr sind auch sämtliche polizeiliche Aufgaben im Verkehrsbereich sowie sicherheitspolizeiliche Belange und Vollzugsaufgaben der Landesverwaltung zugeordnet. Die Kriminalpolizei erledigt Aufträge der Staatsanwaltschaft und des Landgerichts zur Durchführung von Vorerhebungen und anderer strafprozessualer Massnahmen. Ihr obliegt auch die vorbeugende Bekämpfung von Straftaten und der präventive Staatsschutz. Neben den Abteilungen existieren Einheiten bzw. Sondereinheiten und Sonderkommissionen, die bestimmte polizeiliche Aufgaben und Massnahmen ausführen. So wird die Interventionseinheit bei Einsätzen von besonderer Gefährlichkeit aufgeboten, insbesondere zur Verhaftung von gefährlichen Personen sowie für den Personenschutz.
Die Landespolizei übernimmt auch die Aufgaben des Nationalen Zentralbüros der Internationalen Kriminalpolizeilichen Organisation IKPO-INTERPOL.
Die Gemeinden erhielten mit der Verwaltungsreform von 1808 die Hauptverantwortung für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit; sie hatten je einen besoldeten Polizeisoldaten, ab 1827/28 nur mehr einen unbesoldeten Polizeigeschworenen aufzustellen. Seit dem Gemeindegesetz von 1864 steht der Gemeindevorsteher der örtlichen Polizei vor; er wird unterstützt vom Gemeindeweibel bzw. seit 1974 vom Gemeindepolizisten. Ab 1864 übernahmen die Gemeinden vermehrt polizeiliche Kontroll- und Vollzugsaufgaben, etwa hinsichtlich der Fremden-, Gesundheits-, Sittlichkeits-, Bau- und Feuerpolizei, der Aufsicht über die Öffnungszeiten gastgewerblicher Betriebe und die Wahrung der Nachtruhe oder die Abfallentsorgung.
Liechtenstein ist seit 1960 Mitglied von Interpol und hat mehrere sicherheitsrechtliche Übereinkommen des Europarats ratifiziert. 2000 schlossen die Schweiz, Österreich und Liechtenstein einen Vertrag über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit der Sicherheits- und Zollbehörden. Seit 2003 ist die Landespolizei assoziiertes Mitglied des Ostschweizer Polizeikonkordats (ohne Stimmrecht). Die Polizistenausbildung erfolgte bis 2006 in Sempach (LU), seither in Amriswil (TG).
Literatur
- Julia Frick: Einblick in die Akten. 75 Jahre Landespolizei des Fürstentums Liechtenstein. 1993 bis 2008, hg. von der Landespolizei des Fürstentums Liechtenstein, Vaduz 2008.
- Herbert Wille: Liechtensteinisches Verwaltungsrecht. Ausgewählte Gebiete, Schaan 2004 (= Liechtenstein Politische Schriften, Bd. 38), S. 433–564.
- Karin Schamberger-Rogl: «Landts Brauch oder Erbrecht» in der „Vaduzischen Grafschaft üblichen“. Ein Dokument aus dem Jahr 1667 als Grundlage für landschaftliche Rechtsprechung, in: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein, Bd. 101 (2002), S. 54–74, 110–118.
- Paul Vogt: Verwaltungsstruktur und Verwaltungsreformen im Fürstentum Liechtenstein in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, in: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein, Bd. 92 (1994), S. 100–104.
- Arthur Brunhart: Aus der Polizeigeschichte, in: Indiz. Hausinformationen der Landespolizei des Fürstentums Liechtenstein, H. 2 (1994), S. 4f.
- Arthur Brunhart: Aus der Polizeigeschichte, in: Indiz. Hausinformationen der Landespolizei des Fürstentums Liechtenstein, H. 1 (1994), S. 4f.
- Arthur Brunhart: Aus der Polizeigeschichte, in: Indiz. Hausinformationen der Landespolizei des Fürstentums Liechtenstein, H. 1 (1992), S. 4–6.
Zitierweise
<<Autor>>, «Polizei», Stand: 31.12.2011, in: Historisches Lexikon des Fürstentums Liechtenstein online (eHLFL), URL: <<URL>>, abgerufen am 10.2.2025.
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