
Primarschule
Autorin: Annette Bleyle | Stand: 31.12.2011
Die Primarschule ist die erste obligatorische Stufe des liechtensteinischen Schulwesens. Sie entstand 1971 aus der ab 1929 als «Volksschule» bezeichneten ehemaligen Elementar- oder Grundschule. Die Primarschule dauert fünf Jahre und wird in der Regel von den sieben- bis elfjährigen Kindern besucht. Die Schüler und Schülerinnen werden durch die Vermittlung elementarer Kenntnisse und Fertigkeiten sowie die Förderung der Denk- und Ausdrucksfähigkeit auf die Sekundarstufe I (→ Oberschule, → Realschule, Unterstufengymnasium) vorbereitet. Die Primarschule steht unter staatlicher Aufsicht. Die öffentlichen Primarschulen werden von den Gemeinden geführt, ihr Besuch ist unentgeltlich; Staat und Gemeinden tragen die Lehrergehälter zu je 50 %. Mit der Waldorfschule (seit 1985) und der Formatio (seit 1995) bestehen zwei private Primarschulen.
Der Ursprung der in Liechtenstein erstmals 1617/19 erwähnten (Elementar-)Schule lässt sich nicht genau bestimmen. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts fand in jeder Gemeinde ein einfacher Dorfschulunterricht statt. Die zentrale staatliche Regelung begann 1805 mit dem Erlass zur Einführung der allgemeinen Schulpflicht für Kinder vom 7. bis zum 13. Lebensjahr. Alle Gemeinden mussten eine Schule unterhalten und einen Lehrer anstellen. Der Unterricht teilte sich in die Winterschule und die Sommerschule (reduzierter Schulbetrieb); Schulabgänger hatten bis zum 20. Lebensjahr die Sonntagsschule (→ Fortbildungsschule) zu besuchen. Die Schule kämpfte während Jahrzehnten mit grossen Problemen, etwa dem bewussten Niederhalten der Bildungsinhalte durch die Obrigkeit, schlecht ausgebildeten Lehrern, mangelhaften Schulräumen, zu grossen Klassen und mangelnder Disziplin. Eine Verbesserung erfolgte mit dem Schulgesetz von 1859, das die bisherigen Fächer (Religion, Lesen, Schreiben, Rechnen) um allgemeinbildende Inhalte wie Geschichte, Geografie und Naturlehre sowie die sogenannte Industrieschule (→ Handarbeits- und Hauswirtschaftsunterricht) ergänzte. Aber erst das Schulgesetz von 1929 verpflichtete die Volksschule auf die «umfassende Erziehung und Bildung des Kindes». Die Volksschule umfasste nun die achtjährige Alltagsschule sowie, daran anschliessend, die zweijährige Fortbildungsschule und die sogenannte Christenlehre (→ Religionsunterricht).
Mit der Schulreform von 1971 entstanden aus der Volksschule zwei neue Schultypen: die fünfjährige Primarschule und die vierjährige Sekundarstufe I. Aufbau und Organisation der Primarschule wurden 1976 durch Verordnung geregelt (ersetzt durch die Schulorganisationsverordnung von 2004). Unterrichtsfächer sind heute Mathematik, Deutsch, Realien, Bildnerisches Gestalten, Musik, Sport, Textiles und technisches Gestalten, Religion sowie seit 1996 (Früh-)Englisch. 1999 löste eine ganzheitliche Schülerbeurteilung die Ziffernnoten ab. Kinder mit Entwicklungsverzögerungen treten seit 1984 erst nach einer speziellen Vorschulung (Vorschule oder Einführungsklasse) ein Jahr später in die Primarschule ein; Kinder mit Entwicklungsstörungen besuchen eine Sonderschule.
Literatur
- Das liechtensteinische Bildungswesen, hg. vom Presse- und Informationsamt, Vaduz 22002 (=Das Fürstentum Liechtenstein. Eine Dokumentation, Bd. 4), S. 16–18.
- Graham Martin: Das Bildungswesen des Fürstentums Liechtenstein. Nationale und internationale Elemente im Bildungssystem eines europäischen Kleinstaates, Zürich 1984, S. 65–77.
Zitierweise
<<Autor>>, «Primarschule», Stand: 31.12.2011, in: Historisches Lexikon des Fürstentums Liechtenstein online (eHLFL), URL: <<URL>>, abgerufen am 10.2.2025.