
Räter
Autorin: Regula Frei-Stolba | Stand: 31.12.2011
Die älteste, indirekt überlieferte Erwähnung der von den Römern 15 v.Chr. unterworfenen Alpenstämme geht auf Cato d.Ä. (2. Jahrhundert v.Chr.) zurück, der den rätischen Wein – bei Verona – lobte (Serv. georg. 2, 95; Plin. nat. 14, 16; Strab. 4, 6, 8). Räter siedelten im Etschtal von Verona bis Meran sowie in den Nachbartälern (z.B. Piavetal mit Feltre). Ein zweites Rätergebiet sind die Alpentäler der Quellen des Rheins; von den Rätern zu trennen sind jedoch die Lepontii sowie weitere Südalpenstämme (u.a. Camunni). Das erste Gebiet lieferte meist kurze, in einem nordetruskischen Alphabet geschriebene Zeugnisse, oft Weiheinschriften (z.B. in Ardez, GR). Die antike Ethnografie behauptete eine Verwandtschaft zwischen den Etruskern und den Rätern (u.a. Iust. 20, 5, 9; Liv. 5, 33, 11). Moderne sprachwissenschaftliche Untersuchungen zeigen eine genetische Verwandtschaft beider Sprachen.
Die Nachrichten über den Alpenfeldzug (15 v.Chr.), v.a. das grosse Siegesmonument (Tropaeum Alpium, Plin. hist. 3, 136; CIL V 7817) und Plinius (hist. 3, 130), überliefern auch Stammesnamen: Rigusci und Suanetes im Hinterrheintal mit Seitentälern sowie die Feltrini und Beruenses im Piavetal, dazu im Etschtal die Arusnates, Anauni, Tuliasses und Sinduni. Von diesen waren einige sicher, andere vermutlich Räter.
Von den im Alpenraum fassbaren archaischen Kulturgruppen entsprechen jene der Laugen-Melaun-Gruppe (von der auch Funde aus Liechtenstein bezeugt sind) bzw. der Fritzens-Sanzeno-Gruppe dem Verbreitungsgebiet der Räter, gehen aber auch darüber hinaus (im Alpenrheintal mit keltischen Elementen). Ungeklärt ist der Name der Räter; möglicherweise bezeichnet er ursprünglich eine Kultgemeinschaft (Verehrung der Göttin Reitia).
Die nachmalige römische Provinz Raetia umfasste ein viel grösseres Gebiet mit rätischen, aber auch mit vielen keltischen Stämmen (→Kelten), weshalb die Bezeichnung Räter in der Kaiserzeit unscharf wurde. Die Soldaten der Räterkohorten tragen etwa keltische Namen.
Literatur
- Helmut Rix: Rätisch und Etruskisch, Innsbruck 1998.
- Stefan Schumacher: Sprachliche Gemeinsamkeiten zwischen Rätisch und Etruskisch, in: Der Schlern, Bd. 72 (1998), S. 90–114.
- Rafael von Uslar: Zu Rätern und Kelten in den mittleren Alpen, Mainz 1996 (=Bericht der Römisch-Germanischen Kommission, Bd. 77), S. 156–213.
- Regula Frei-Stolba: Räter und Etrusker. Untersuchungen zu den literarischen Quellen, in: Helvetia Archaeologica, Bd. 24 (1993), S. 17–32.
- Stefan Schumacher: Die rätischen Inschriften. Geschichte und heutiger Stand der Forschung, Innsbruck 1992 (=Innsbrucker Beiträge zur Kulturwissenschaft. Sonderheft, Bd. 79).
- Die Räter/I Reti, im Auftrag des Kantons Graubünden, Redaktion: Ingrid R. Metzger und Paul Gleirscher, Bozen 1992 (=Schriftenreihe der Arbeitsgemeinschaft Alpenländer. Berichte der Historikertagungen. Neue Folge, Bd. 4).
Zitierweise
<<Autor>>, «Räter», Stand: 31.12.2011, in: Historisches Lexikon des Fürstentums Liechtenstein online (eHLFL), URL: <<URL>>, abgerufen am 15.2.2025.