Realschule

Autorin: Annette Bleyle | Stand: 31.12.2011

Die Realschule bildet in Liechtenstein seit 1971 gemeinsam mit der Oberschule und dem Unterstufengymnasium die obligatorische Sekundarschulstufe I. Die an die fünfjährige Primarschule anschliessende Realschule dauert vier Jahre und wird in der Regel im Alter von 12–15 Jahren besucht. Sie vermittelt eine erweiterte und vertiefte Ausbildung und bereitet auf eine anspruchsvolle Berufsbildung oder eine weiterführende Schule (z.B. Oberstufengymnasium, Berufsmatura) vor. Die öffentlichen Realschulen werden vom Staat errichtet und unterhalten, ihr Besuch ist unentgeltlich.

Eine höhere Lehranstalt in Liechtenstein wurde schon in den 1790er Jahren von den fürstlichen Beamten diskutiert und im Revolutionsjahr 1848 gefordert. Aber erst eine Privatinitiative von Ludwig Grass ermöglichte die Realisierung dieses Vorhabens: er schenkte dem Staat 1857 zur Gründung einer «Landesrealschule» 20 000 Gulden, worauf 1858 die zweijährige «Landeshauptschule» in Vaduz geschaffen wurde. Gesunkene Schülerzahlen führten 1868 zur deren Schliessung. An der 1870 mit einem bescheideneren Lehrplan wiedereröffneten «Landesschule» waren neu auch Mädchen zugelassen; sie entsprach aber eher der gehobenen Elementar- als der Sekundarstufe (z.B. war das Fach Französisch gestrichen worden). Stammten bislang alle Lehrer aus Deutschland, übernahm 1872 mit Fidel Ospelt erstmals ein Liechtensteiner die Schule. 1910 konnte dank einer testamentarischen Stiftung Karl Schädlers (†1907) ein zweiter Lehrer angestellt werden. Die Ausbildung wurde auf drei Jahre verlängert und ein freiwilliges, viertes Jahr angeboten. 1913 kam vorübergehend und ab 1933 definitiv ein dritter Lehrer dazu.

1906 entstand auf Initiative einiger Unterländer Landtagsabgeordneter auch in Eschen eine «Sekundarschule». Sie war nur zweijährig und wurde bis zur Schaffung einer zweiten Stelle 1933 von nur einem Lehrer geführt, womit ein qualitativer Unterschied zur Landesschule in Vaduz bestand. Die Angleichung von Struktur und Lehrplänen der beiden Schulen fand 1952 in der Umbenennung der beiden Bildungsanstalten in Realschule ihren Abschluss.

Mit dem Schulgesetz von 1971 erhielt die nun vierjährige Realschule ihre heutige Stellung im liechtensteinischen Schulwesen; Aufbau und Organisation wurden 1976 in einer Verordnung geregelt. Pflichtfächer der Realschule sind heute Deutsch, Englisch, Französisch, Mathematik, Informatik, Lebenskunde, Realien, bildnerisches Gestalten, Musik, textiles und technisches Gestalten, Haushaltskunde, Religion und Sport; seit 1967 werden einzelne Fächer wie Mathematik in zwei Leistungszügen geführt. Es besteht ein breites Angebot an Wahlfächern. Nach jedem Schuljahr besteht die Übertrittsmöglichkeit ins Gymnasium; seit 1980 kann nach der Realschule das freiwillige 10. Schuljahr absolviert werden.

Weitere staatliche Realschulen neben Vaduz und Eschen entstanden 1975 in Balzers und 1985 in Triesen. Die seit 1974 bestehende, ursprünglich private Realschule Sankt Elisabeth in Schaan nahm bis zu ihrer Verstaatlichung 1994 nur Mädchen auf. Ebenfalls nach dem Lehrplan der liechtensteinischen Realschule unterrichtet die Privatschule Formatio in Triesen.

Literatur

  • Das liechtensteinische Bildungswesen, hg. von Presse- und Informationsamt, Vaduz 22002(= Das Fürstentum Liechtenstein. Eine Dokumentation, Bd. 4), S. 23f.
  • Graham Martin: Das Bildungswesen des Fürstentums Liechtenstein. Nationale und internationale Elemente im Bildungssystem eines europäischen Kleinstaates, Zürich 1984, S. 93–106.
  • Otto Seger: 100 Jahre Realschule Vaduz 1858–1958, Vaduz 1958.

Zitierweise

<<Autor>>, «Realschule», Stand: 31.12.2011, in: Historisches Lexikon des Fürstentums Liechtenstein online (eHLFL), URL: <<URL>>, abgerufen am 10.2.2025.