
Regierungsviertel
Autor: Michael Pattyn | Stand: 31.12.2011
Südlicher Ortskern von Vaduz am Hangfuss des Schlosswalds, begrenzt durch den Engländerbau auf der Nord- und die Vaduzer Pfarrkirche St. Florin auf der Südseite.
Im Spätmittelalter befanden sich an diesem unterhalb des Schlosses Vaduz gelegenen Abschnitt der Reichstrasse Lindau–Mailand ein herrschaftlicher Hof, die herrschaftliche (Eigen-)Kapelle St. Florin mit Hofkaplaneigebäuden, der sogenannte Tschaggaturm (→Wohntürme) und ein Zollhäuslein; bei der nahe gelegenen Linde fanden die Gerichtssitzungen und die Landammannwahlen der Grafschaft Vaduz statt. Poeschel vermutet hier das Zentrum des gaugräflichen, später werdenbergischen Besitzes im Bereich von Vaduz. Seit dem 16. Jahrhundert entwickelte sich das ursprünglich abseits des Dorfs gelegene Areal durch die Ansiedlung herrschaftlicher und später staatlicher Behörden zum sogenannten Amtsquartier (heute Regierungsviertel).
1585 wird erstmals die Errichtung eines «Cantzley»-Gebäudes erwähnt, bei dem es sich um die Landvogtei oder das heutige Rheinbergerhaus handeln kann. Letzteres ist 1617/19 als Amtshaus belegt, im 18./19. Jahrhundert war es Amts- und Wohnsitz des Rentmeisters, später Sitz der fürstlichen Domänenverwaltung; seit 1968 beherbergt es die Liechtensteinische Musikschule. Die ebenfalls 1617/19 erwähnte Landvogtei war (mit Unterbrüchen im 18. Jahrhundert) bis 1918 Wohnsitz, bis 1865 auch Amtssitz des Landvogts (bzw. ab 1848 des Landesverwesers). In diesem als Verweserhaus bezeichneten Gebäude tagte zudem 1818–62 der Ständelandtag. Zwischen dem Verweser- und dem Rheinbergerhaus befanden sich bis ins 19. Jahrhundert der ehemalige herrschaftliche Hof mit dem als Gefängnis dienenden «Schelmahüsli».
Das Verweserhaus ist an die um 1500 entstandene ehemalige herrschaftliche Taverne angebaut. Diese diente ab 1637 zudem als Zoll- und 1865–1905 als Regierungsgebäude. Seit 1972 befindet sich hier das Liechtensteinische Landesmuseum. Nördlich davon wurde 1866–67 als Tagungsort für den Landtag das Ständehaus gebaut, in dem auch Landgerichtskanzleien, Landrichterwohnungen und ein Gefängnislokal untergebracht waren. Es wurde ab 1905 als Realschule, ab 1961 als Landesbibliothek genutzt und 1970 abgebrochen. 1903–05 entstand zwischen dem Verweserhaus und der 1872 errichteten Pfarrkirche (seit 1997 auch Kathedrale) das heutige Regierungsgebäude mit dem Landtagssaal. Weitere Amtsgebäude des Regierungsviertels sind das Schädlerhaus (heute u.a. Zivilstandsamt), die Liechtensteinische Landesbank (1952), das Landesarchiv (1962) und das Post- und Verwaltungsgebäude (1975).
Ein aus einem städtebaulichen Ideen- und Projektwettbewerb (1984–87) hervorgegangenes Projekt des Tessiner Architekten Luigi Snozzi zur Neugestaltung des Gesamtareals zwischen Engländerbau und Pfarrkirche wurde 1993 in einer Volksabstimmung verworfen. In Übernahme der städtebaulichen Grundidee Snozzis (Hangfussbebauung) entstand 2002–07 zwischen Verweserhaus und Regierungsgebäude das von Hansjörg Göritz (Hannover) geplante neue Landtagsgebäude. Der Erweiterungsbau des Landesmuseums (1999–2003) der Architekten Brunhart, Brunner, Kranz (Balzers) und der Neubau des Archiv- und Verwaltungsgebäudes (2006–09) der Architekten Keller und Brander (Vaduz) vervollständigen die Hangfussbebauung.
Literatur
- Michael Pattyn: Die bauliche Entwicklung des Regierungsviertels im 20. Jahrhundert als Spiegelbild von Gesellschaft und Politik, in: Bauen für Liechtenstein. Ausgewählte Beiträge zur Gestaltung einer Kulturlandschaft, hg. von Patrik Birrer, Redaktion: Patrik Birrer, Hansjörg Frommelt, Jürgen Fränzer, Vaduz 2000, S. 228–241.
- Walter Walch: Die Landtagsbauten, in: Paul Vogt: 125 Jahre Landtag, hg. vom Landtag des Fürstentums Liechtenstein, Vaduz 21988, S. 55–81.
- Erwin Poeschel: Die Kunstdenkmäler des Fürstentums Liechtenstein, hg. von der Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte, Basel 1950 (= Die Kunstdenkmäler der Schweiz, Sonderband), S. 171–174.
Zitierweise
<<Autor>>, «Regierungsviertel», Stand: 31.12.2011, in: Historisches Lexikon des Fürstentums Liechtenstein online (eHLFL), URL: <<URL>>, abgerufen am 10.2.2025.
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