
Reichsdeutsche Jugend Standort Liechtenstein
Autor: Martin J. Bucher | Stand: 16.10.2024
Die Hitler-Jugend (HJ) wurde 1926 in Deutschland als nationalsozialistische Jugendbewegung gegründet. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 wurde sie durch das Verbot aller konkurrierenden Jugendverbände von der Partei- zur Staatsjugend. Anfang der 1930er Jahre entstanden unter der Bezeichnung Reichsdeutsche Jugend (RDJ) im Ausland die ersten HJ-Gruppen ausserhalb des Reiches. Diese Gruppen standen nur deutschen Kindern und Jugendlichen offen. Die erste HJ-Gruppe in Liechtenstein wurde am 1. Dezember 1935 als Unterorganisation der NSDAP Ortsgruppe Liechtenstein ins Leben gerufen und zählte bei der Gründung elf Mitglieder. Der neu gegründete RDJ-Standort Liechtenstein war der «Reichsdeutschen Jugend in der Schweiz» angegliedert und der Standortführer der dortigen Landesjugendführung unterstellt.
Der RDJ-Standort Liechtenstein (ab 1944 Vaduz) war wie die HJ in Deutschland strukturiert. Dem «Deutschen Jungvolk» (DJ) und dem «Jungmädelbund» (JM) gehörten die 10- bis 14-jährigen Jungen bzw. Mädchen an. Die eigentliche Hitlerjugend umfasste die 14- bis 18-jährigen Jungen, während die gleichaltrigen Mädchen im Bund Deutscher Mädel (BDM) organisiert waren. Ziel war es, möglichst alle reichsdeutschen Kinder und Jugendlichen in Liechtenstein zu erfassen. 1941 zählte die RDJ in Liechtenstein rund 70 Mitglieder, was etwa der Hälfte aller reichsdeutschen Kinder und Jugendlichen im HJ-Alter in Liechtenstein entsprach. In der Schweiz lag der Erfassungsgrad im Durchschnitt bei etwas mehr als einem Viertel.
Der Aufbau der HJ in Liechtenstein gestaltete sich schwierig, so dass zunächst die NSDAP-Ortsgruppenleiter Karl Vormbrock und später Karl Hohmeier auch deren Leitung übernahmen. 1937 setzte die Reichsjugendführung in Berlin den knapp 17-jährigen Balthasar Ruhland als neuen Standortführer ein. Gleichzeitig wurde Inge Brender, Tochter des Fürstlichen Musikdirektors Severin Brender, zur BDM-Führerin ernannt. Sowohl Ruhland als auch sein Nachfolger Hermann Hagen wurden zur Wehrmacht eingezogen und so wurde 1941 der 19-jährige Richard Lang Standortführer in Liechtenstein.
Die Arbeit der RDJ bestand aus Heimabenden, Sport, Fahrten und Lagern. Die Heimabende fanden im RDJ-Heim, einem ehemaligen Rebenhaus des Gasthofes «zur Linde» in Vaduz statt. In ihrem Mittelpunkt stand die weltanschauliche Schulung. Dabei wurden die Kinder und Jugendlichen nach den Grundsätzen der NSDAP indoktriniert (→ Nationalsozialismus). Auch regelmässiger Sport stand auf dem «Dienstplan» der RDJ: für die Jungen Dauerlauf, Leibesübungen und Schiessen, für die Mädchen Hindernisläufe und Gymnastik. In den «Dienstplänen» der RDJ Liechtenstein sind auch Fahrten – ein- oder zweitägige Ausmärsche – vermerkt: Oft ging es nach Steg oder Malbun. Diese Ausmärsche erregten wiederholt die Gemüter der einheimischen Bevölkerung.
In Zusammenarbeit mit der Deutschen Arbeitsfront (DAF), einer weiteren Unterorganisation der NSDAP-Ortsgruppe, organisierte die RDJ Film- und Unterhaltungsabende. Auch an den Feiern der Ortsgruppe selbst nahm die RDJ in der Regel teil. Ein wichtiges Fest für die RDJ war die Verpflichtungsfeier, bei der die 10-Jährigen in das Jungvolk und den Jungmädelbund und die 14-Jährigen in die HJ und den BDM aufgenommen wurden.
Die RDJ in Liechtenstein unterhielt keine offiziellen Beziehungen zur «Volksdeutschen Jugend», der Jugendgruppe der «Volksdeutschen Bewegung in Liechtenstein» (VDBL). Es bestanden jedoch informelle Kontakte.
Die RDJ konnte sich in Liechtenstein ungehindert ausbreiten und ihren Aktivitäten nachgehen. Erst als klar war, dass Deutschland den Krieg verloren hatte, verbot die Regierung am 9. Mai 1945 neben der NSDAP auch die RDJ. Der Standortführer Richard Lang wurde ausgewiesen. Die BDM-Führerin Inge Brender hatte mit ihrem Rekurs Erfolg und durfte in Liechtenstein bleiben. Der ehemalige Standortführer Hermann Hagen überlebte den Krieg, erhielt aber keine Aufenthaltsbewilligung mehr für Liechtenstein.
Literatur
- Martin J. Bucher: «Was wir tun, tun wir für Deutschland und unseren Führer». Die Hitler-Jugend im Fürstentum Liechtenstein, in: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein, Bd. 122 (2023), S. 185–208.
- Martin J. Bucher: Führer, wir stehen zu dir! Die Reichsdeutsche Jugend in der Schweiz, 1931–1945, Zürich 2021.
Medien
Standortführer der RDJ Liechtenstein, 1935–1945
Amtszeit | Name |
---|---|
1935–1936 | Karl Vormbrock (als Leiter der NSDAP-Ortsgruppe) |
1936 | Karl Hohmeier (als Leiter der NSDAP-Ortsgruppe) |
1937–1940 | Balthasar Ruhland |
1940–1941 | Hermann Hagen |
1941–1945 | Richard Lang |
BDM-Führerin
Amtszeit | Name |
---|---|
1937–1945 | Inge Brender |
Zitierweise
<<Autor>>, «Reichsdeutsche Jugend Standort Liechtenstein», Stand: 16.10.2024, in: Historisches Lexikon des Fürstentums Liechtenstein online (eHLFL), URL: <<URL>>, abgerufen am 16.2.2025.