
Reichssteuern
Autor: Bernd Marquardt | Stand: 31.12.2011
Seit dem frühen 16. Jahrhundert war das römisch-deutsche Reich zum Steuerstaat verdichtet, der die Fähigkeit besass, Mittel seiner Glieder, auch der Grafschaft Vaduz, zur Wahrnehmung von Reichsaufgaben zu zentralisieren. Grundlage der Steuerverfassung war die Reichsmatrikel von 1521, in der die Proportionen der Reichsglieder zueinander festlegt wurden, sodass der Reichstag künftig nur noch über den Vervielfachungsfaktor zu entscheiden hatte. Für Vaduz entsprach der einfache jährliche Satz («Simplum») dem Gegenwert von einem Reiter und sechs Fusssoldaten. Den grössten Anteil an den Reichssteuern nahmen Kriegssteuern ein. Gerade der äusseren Dauerbedrohung durch das Osmanische Reich und Frankreich verdankte das Reich eine der im europäischen Vergleich effizientesten Steuerverfassungen. Gegen ordnungsgemäss beschlossene Reichssteuern gab es zwar kein individuelles Vetorecht von Reichsständen oder deren Landständen, wohl aber justizielle Möglichkeiten, die als unantastbar geltende Subsistenzbasis zu behaupten.
In Vaduz-Schellenberg bestand das nicht untypische Problem, dass der dynamisch-wachstumsoffenen reichsrechtlichen Regelung eine starre interne Norm gegenüberstand: die Gerichtsgemeinden leisteten infolge des Herrschaftsvertrags von 1614 nur einen fixen Betrag, den «Schnitz», während der dem Reich gegenüber verantwortliche Graf für alles Übrige Darlehen aufnehmen musste. Hierin lag eine Kernursache für die schwere Vaduzer Finanzkrise des 17. Jahrhunderts unter den Grafen von Hohenems, die zu einer reichsgerichtlich angeordneten kaiserlichen Administration (1684–1712) und schliesslich zum Notverkauf von Vaduz-Schellenberg an das Haus Liechtenstein führte. Die kaiserliche Kommission ersetzte 1696 die «Schnitz»-Regelung durch eine Vollumlage der Reichs- und Reichskreissteuern auf die Gerichtsgemeinden.
Literatur
- Andreas Schwennicke: «Ohne Steuer kein Staat». Zur Entwicklung und politischen Funktion des Steuerrechts in den Territorien des Heiligen Römischen Reichs (1500-1800), Frankfurt am Main 1996 (=Ius commune. Sonderhefte. Studien zur europäischen Rechtsgeschichte, Bd. 90).
- Adalbert Erler: Reichssteuern, in: Handwörterbuch zur Deutschen Rechtsgeschichte, Bd. 4 (1990), Sp. 773–776.
- Winfried Schulze: Reichskammergericht und Reichsfinanzverfassung im 16. und 17. Jahrhundert, Wetzlar 1989 (=Schriftenreihe der Gesellschaft für Reichskammergerichtsforschung, H. 6).
- Peter Kaiser: Geschichte des Fürstenthums Liechtenstein. Nebst Schilderungen aus Chur-Rätien‘s Vorzeit, Chur 1847, neu hg. von Arthur Brunhart, Bd. 1, Vaduz 1989, S. 405f., 442–473.
Zitierweise
<<Autor>>, «Reichssteuern», Stand: 31.12.2011, in: Historisches Lexikon des Fürstentums Liechtenstein online (eHLFL), URL: <<URL>>, abgerufen am 9.2.2025.