Reichsunmittelbarkeit

Autor: Bernd Marquardt | Stand: 31.12.2011

Die seit dem 12. Jahrhundert bezeugte Figur der Reichsunmittelbarkeit war ein Grundelement des vertikalen Stufenbaus des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation. Sie umschrieb die staatsrechtliche Stellung eines lokalen oder regionalen Herrschaftsträgers, der dem Kaiser und den übrigen Reichsinstitutionen ohne Zwischeninstanzen unterstand. Davon abzugrenzen war die landsässige, reichsmittelbare Herrschaft.

Bei der Grafschaft Vaduz wurde die Reichsunmittelbarkeit in einer Königsurkunde Wenzels von 1379 als bestehend vorausgesetzt. 1396 erklärte König Wenzel Vaduz explizit zum reichsunmittelbaren Lehen, was seine Nachfolger fortlaufend konfirmierten, so etwa 1430, 1439, 1454 und 1507. Ab 1430 war die Herrschaft Schellenberg mit erwähnt. Bis zum Ende des Reichs 1806 blieb die Reichsunmittelbarkeit für Liechtensteins reichsstaatsrechtliche Stellung konstitutiv. Daraus resultierte die Teilnahme am Reichstag und am schwäbischen Kreistag, die Reichssteuerpflicht sowie die unmittelbare Unterstellung unter die obersten Reichsgerichte.

Die Reichsunmittelbarkeit von Vaduz und Schellenberg fügte sich in das Gesamtbild der südwestdeutschen Verfassungslandschaft, wo infolge des Erlöschens des Herzogtums Schwaben 1268 zahlreiche Kleinherrschaften reichsunmittelbar waren, während vergleichbare Gebilde im Osten des Reichs, etwa die älteren Herrschaften des Hauses Liechtenstein in den habsburgischen Erbländern, angesichts der dort ungebrochenen Herzogsgewalten einen landsässigen Status behielten. Dies war auch der Grund für den Kauf von Schellenberg (1699) und Vaduz (1712) durch das Haus Liechtenstein, das so Zugang zum Reichsfürstenrat erlangte. Zudem stellte die Reichsunmittelbarkeit eine Voraussetzung dafür dar, dass Liechtenstein beim Untergang des Reichs 1806 in die Souveränität aufsteigen konnte, wenn auch dieses Ergebnis nicht bereits in der Logik der Reichsunmittelbarkeit angelegt war.

Quellen

  • Liechtensteinisches Urkundenbuch, Teil I: Von den Anfängen bis zum Tod Bischof Hartmanns von Werdenberg-Sargans-Vaduz 1416, Bd. 5: Aus deutschen Archiven, bearb. von Benedikt Bilgeri, Halbband A, Vaduz 1976/1980, Halbband B, Vaduz 1981/1987 (LUB I/5 A, B), S. 624–628.
  • Liechtensteinisches Urkundenbuch, Teil I: Von den Anfängen bis zum Tod Bischof Hartmanns von Werdenberg-Sargans-Vaduz 1416, Bd. 2: Aus den Archiven zu St. Gallen, bearb. von Franz Perret, Vaduz 1953 (LUB I/2), S. 246–250.

Literatur

Zitierweise

<<Autor>>, «Reichsunmittelbarkeit», Stand: 31.12.2011, in: Historisches Lexikon des Fürstentums Liechtenstein online (eHLFL), URL: <<URL>>, abgerufen am 14.2.2025.