
Religionen und Bekenntnisse
Autor: Franz Näscher | Stand: 31.12.2011
Unter Religion versteht man die Art der Gotteslehre und -verehrung, unter Bekenntnis (auch Konfession) die verschiedenen christlichen Gemeinschaften.
In Liechtenstein garantierte die Verfassung von 1862 erstmals die Freiheit der «äusseren Religionsausübung». Art. 37 der Verfassung von 1921 gewährleistet neben der Glaubens- und Gewissensfreiheit den Angehörigen aller Konfessionen die Ausübung ihres Bekenntnisses. Während die römisch-katholische Kirche als «Landeskirche» öffentlich-rechtlich anerkannt ist, sind alle anderen Religionen und Bekenntnisse auf das Privatrecht verwiesen. Regelmässige staatliche und kommunale Beiträge erhalten die katholische Kirche, die evangelische und die evangelisch-lutherische Kirche und der orthodoxe Kirchenverband.
Die liechtensteinische Bevölkerung gehörte bis Ende des 19. Jahrhunderts mit wenigen Ausnahmen der katholischen Kirche an. Die Reformation war von der Obrigkeit ferngehalten worden. Vorübergehend hatten sich 1637–51 und 1745–47 Juden in Liechtenstein ansiedeln können. Erst mit der Industrialisierung kamen im späten 19. Jahrhundert Angehörige evangelischer Kirchen nach Liechtenstein (141 Personen 1891). Nach der russischen Revolution 1917 wanderten in den 1920er Jahren erste orthodoxe Christen ein; Orthodoxe verschiedener Länder schlossen sich 1995 zum «Orthodoxen Kirchenverband Liechtenstein» zusammen. Während der Verfolgung durch den Nationalsozialismus fanden erneut Juden Zuflucht, die nach dem Zweiten Weltkrieg meist nach Amerika auswanderten. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zogen vermehrt Angehörige anderer Religionen und Bekenntnisse zu (meist als Gastarbeiter, z.T. als Flüchtlinge), v.a. Muslime. Daneben tragen zur heutigen Religionsvielfalt der zunehmende Pluralismus der Gesellschaft und die Schwächung der traditionellen religiösen Bindungen bei. Gestiegen ist in den letzten Jahrzehnten der Anteil der konfessionslosen und der in Volkszählungen keine Angaben machenden Einwohner.
In den 1950er–90er Jahren gab es eine geringe Zahl Christkatholiken. Eine seit 1962 in Liechtenstein tätige Gruppe der Zeugen Jehovas bildet seit den frühen 1970er Jahren eine «Versammlung Liechtenstein» mit Zusammenkunft in Triesen (zeitweilig in Schaan), seit 1998 in Buchs (SG). 1979 entstand als Gegenbewegung zur konziliaren Erneuerung der katholischen Kirche in Triesen eine Gruppe der «Palmarianisch-katholischen Kirche». Weiters bestehen seit 1986 der Verein «Neuapostolische Kirche Liechtenstein» und seit 1988 die «Freie Evangelische Gemeinde Liechtenstein» mit einem Versammlungsraum in Schaan. Die «Siebenten-Tags-Adventisten» besuchen den Gottesdienst in Buchs (SG) oder Chur.
Seit 1953 gibt es in Vaduz eine «Baha’i-Gemeinde Liechtenstein». Die Muslime erhielten 1981 ein erstes Gebetshaus in Eschen. Die 1995 gegründete «Islamische Gemeinschaft des Fürstentums Liechtenstein» betreibt ein islamisches Zentrum mit Gebetsraum, bis 2007 in Triesen, seither in Nendeln. 2001 schlossen sich verschiedene türkische Vereine und Gruppierungen zur «Türkischen Vereinigung im Fürstentum Liechtenstein» zusammen, die neben anderen Aktivitäten die «Grüne Moschee» in Triesen mit einem deutsch sprechenden Imam unterhält.
Die Bevölkerungsstatistik 2002 nennt 258 Personen des christlich-orthodoxen und 72 des buddhistischen Glaubens, 31 Zeugen Jehovas, 14 Angehörige der Baha’i-Gemeinde sowie 13 Mitglieder der anglikanischen und 9 der neuapostolischen Kirche, ausserdem 329 Personen ohne Religion und 3643 ohne Angabe.
Quellen
- Liechtensteinische Volkszählungen, hg. von der Regierung des Fürstentums Liechtensteins, 1861–.
Literatur
- Alfred Dubach: Religiöse Vielfalt im Alpenrheintal. Eine Bestandesaufnahme der religiösen Gemeinschaften, Vereinigungen und Werke, mit Kurzportraits, Vaduz 2011.
- Die Landeskirche verliert an Bedeutung, in: Liechtensteiner Vaterland, 6.3.2003, S. 1, 9.
- Staat und Kirche. Grundsätzliche und aktuelle Probleme, hg. von Herbert Wille und Georges Baur, Vaduz 1999 (= Liechtenstein Politische Schriften, Bd. 26).
- Kirchenglocken am Bosporus. In unserem Land wohnen über 900 Moslems, die ihren Glauben in einem Gebetshaus ausüben möchten, in: Liechtensteiner Volksblatt, 10.04.1997, S. 5.
Zitierweise
<<Autor>>, «Religionen und Bekenntnisse», Stand: 31.12.2011, in: Historisches Lexikon des Fürstentums Liechtenstein online (eHLFL), URL: <<URL>>, abgerufen am 10.2.2025.