
Rittertum
Autoren: Heinz Dopsch, Fabian Frommelt | Stand: 31.12.2011
Während im Frühmittelalter freie Vasallen als milites bezeichnet wurden, nahm der Ritter (lateinisch miles) ab dem 11./12. Jahrhundert den untersten Rang des Adels ein. Die Ritterschaft (militia) des Hochmittelalters rekrutierte sich überwiegend aus den unfreien Eigenleuten eines geistlichen oder weltlichen Herrn, leistete – unterstützt von Knappen oder reisigen Knechten – den Kriegsdienst zu Pferd, wohnte in festen Häusern oder bescheidenen Wehrbauten (Rittersitz) und stellte die Besatzung der fürstlichen oder gräflichen Burgen. Da die Ritter die unterste Stufe der Heerschildordnung bildeten und Lehen nur empfangen aber nicht verleihen konnten, werden sie auch als Einschildritter bezeichnet. Im Spätmittelalter führten der steigende Aufwand für Waffen, Kleidung und Repräsentation sowie der Ersatz der Ritterheere durch Söldnertruppen und Landsknechte einerseits und die durch Geldentwertung und Erbschaftsteilungen verringerten Einkünfte andererseits zu einer Verarmung vieler ritterlicher Familien, zu deren Abgleiten ins Raubrittertum bzw. zum Aufgehen im Bürgertum oder im Bauernstand. Den Missbrauch des Fehderechts suchten König und Fürsten durch den Erlass von Landfrieden einzudämmen. Seit dem 14. Jahrhundert kam es zur Bildung von Ritterbünden und -gesellschaften wie der Rittergesellschaft mit Sankt Jörgenschild und 1422 aufgrund eines von König Sigmund erteilten Privilegs zum Zusammenschluss des rittermässigen Adels in der Reichsritterschaft. Im Heiligen Land entstanden im 12. Jahrhundert geistliche Ritterorden (Templer, Johanniter, Deutscher Orden), die eine Verbindung der Ideale des Mönchtums mit jenen des christlichen Rittertums anstrebten. Später erfolgten in Europa zahlreiche weitere Gründungen, darunter in Burgund der Orden vom Goldenen Vlies.
Vom Rittertum als Geburtsstand ist die Idealvorstellung des «christlichen Ritters» (miles christianus) zu unterscheiden, die sich seit dem 11. Jahrhundert unter dem Eindruck der Kreuzzüge ausbildete und den gesamten Adel vom König bis zum Einschildritter als militia Christi umfasste. Durch Zeremonien wie Schwertleite, Ritterschlag oder Ritterweihe wurde man zum Ritter und übernahm damit die Verpflichtung zum Schutz von Frauen und Kindern, zur Hilfe für Arme und Kranke und zur Verteidigung des christlichen Glaubens. Die «ritterlich-höfische Kultur» des Mittelalters wurde vom gesamten Adel, v.a. von den Fürsten und ihren Höfen, getragen. Sie fand ihre Ausprägung in Hoffesten, Turnieren, Jagdveranstaltungen sowie dem Minnesang und der höfischen Literatur.
Die vom 13.–15. Jahrhundert im Gebiet des heutigen Liechtenstein ansässigen Rittergeschlechter gehörten zur Ministerialität der Grafen von Montfort und Werdenberg, der Freiherren von Sax oder des Bischofs von Chur. Gut belegt sind die Ritter von Trisun und die (erst spät in Liechtenstein nachweisbaren) von Richenstein, während bei den Rittern von Eschen, von Schaan und von Schalun nur vereinzelte Erwähnungen vorliegen. Bei den von Gutenberg und von Gamprin ist die Zugehörigkeit zum Ritterstand unsicher; das Geschlecht der Vaistli zählte erst im 14./ 15. Jahrhundert zum rittermässigen Adel. Teils schon im 13. Jahrhundert, teils erst im 15./16. Jahrhundert verschwanden diese Geschlechter infolge biologischen Aussterbens oder des Übergangs in eine andere soziale Schicht, etwa in das Feldkircher Stadtbürgertum oder die lokale Bauernschaft. Nur die Ritter von Ramschwag sassen von 1470 bis ins 18. Jahrhundert als Vögte auf der habsburgischen Burg Gutenberg in Balzers. Mit Ausnahme der Ruine Schalun sind die bescheidenen Ansitze dieser Ritter nicht bekannt. Ihre wirtschaftliche Basis dürfte schmal gewesen sein; von den Trisun und den Richenstein ist der Besitz von Äckern, Weingärten und Zehntrechten nachgewiesen. Einigen Vertretern gelang eine geistliche Karriere in den regionalen Klöstern oder im Domkapitel Chur. Die ritterlich-höfische Kultur berührte den rätisch-liechtensteinischen Raum eher am Rand.
Viele Mitglieder des Fürstenhauses Liechtenstein waren bzw. sind Ritter des Ordens vom Goldenen Vlies und des Souveränen Malteser-Ordens. Ab dem 20. Jahrhundert kam es auch zu Mitgliedschaften bürgerlicher Personen aus Liechtenstein in Ritterorden, z.B. im Orden vom Hl. Grab zu Jerusalem oder im Lazarus-Orden.
Quellen
- Liechtensteinisches Urkundenbuch, Teil II: Die Herrschaftszeit der Freiherren von Brandis, 1416–1510, bearb. von Claudius Gurt (LUB II digital).
- Liechtensteinisches Urkundenbuch, Teil I: Von den Anfängen bis zum Tod Bischof Hartmanns von Werdenberg-Sargans-Vaduz 1416, 6 Bände, Vaduz 1996 (LUB I/1-6).
Literatur
- Josef Fleckenstein: Rittertum und die ritterliche Welt, Berlin 2002.
- Roger Sablonier: Adel im Wandel. Eine Untersuchung zur sozialen Situation des ostschweizerischen Adels um 1300, Zürich 22000.
- Werner Meyer: Das Hochmittelalter (10. bis Mitte 14. Jahrhundert), in: Handbuch der Bündner Geschichte, Bd. 1: Frühzeit bis Mittelalter, hg. vom Verein für Bündner Kulturforschung, Chur 2000, S. 138–193, bes. 164–167.
- Josef Fleckenstein: Ritter, -tum, -stand. Allgemein und Mitteleuropa, in: Lexikon des Mittelalters, Bd. 7 (1995), Sp. 865–873.
- Andreas Ulmer: Die Burgen und Edelsitze Liechtensteins. Historisch und topografisch beschrieben, Dornbirn 1925.
- Johann Baptist Büchel: Geschichte der Pfarrei Triesen, in: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein, Bd. 2 (1902), S.129–157.
Zitierweise
<<Autor>>, «Rittertum», Stand: 31.12.2011, in: Historisches Lexikon des Fürstentums Liechtenstein online (eHLFL), URL: <<URL>>, abgerufen am 7.2.2025.