
Rotter (Schaie), Fritz
Autor: Peter Kamber | Stand: 16.8.2021
Theaterdirektor, Regisseur. *3.9.1888 Leipzig (Fritz Schaie), gestorben 7.10.1939 Colmar (F), jüdisch, Deutscher, ab 1931 auch von Mauren. Sohn des Herrenkonfektions-Grosshändlers Hermann (Heymann) Schaie und der Emilie Simonson, drei Geschwister: Alfred (1886–1933), Lucie (1892–1943) und Ella (1894–1939). Unverheiratet.
Die Eltern zogen 1889 von Leipzig nach Berlin. Schon als Gymnasiast theaterbegeistert, war der kleinere Fritz der agilere und redegewandtere der beiden Brüder. Noch als Student war er 1908 Mitbegründer der «Akademie Bühne» in Berlin. 1910 übernahm er den Vorsitz der «Literarischen Gesellschaft», die aus dieser Bühne hervorging, und leitete die Kroll-Oper unter Direktor Fritz Helmer. 1912/13, nun mit dem Bühnennamen «Rotter», wirkte er als erster Regisseur am kurzlebigen «Deutschen Schauspielhaus» (vormals: Komische Oper).
1914, zu Beginn des Ersten Weltkriegs, übersiedelten Fritz und Alfred nach Leipzig, um der Musterung zu entgehen. Im selben Jahr legte Fritz das Notexamen in Jurisprudenz ab. Danach war er, in steter Flucht vor der Einberufung, Teilhaber des kleinen Lessing-Verlags, welcher auch musikalische und theatrale Gastspiele organisierte; deren z.T. fragliche Qualität schadete empfindlich seinem Ruf als Regisseur. Auf die Verhaftung und Zwangsmusterung im Oktober 1915 folgten eine militärische Grundausbildung und Sanatoriumsaufenthalte. Nach Erfolgen als Regisseur am Trianon-Theater in Berlin 1917 erkrankte Fritz im Sommer 1918 an der Spanischen Grippe.
In der November-Revolution 1918 erhielt Fritz seine erste Theaterkonzession, verlor sie aber wieder aufgrund einer anonymen Denunziation, u.a. wegen seiner Homosexualität. Am Trianon- und am Residenz-Theater in Berlin inszenierte er Strindberg, Ibsen und gewagte Salonkomödien, in denen Frauen den Konventionen den Rücken kehrten. Ab Februar 1921 zog er sich von der Regietätigkeit zurück, blieb aber in die Rotter-Bühnen eingebunden, als Entdecker von Talenten und Bearbeiter von Stücken. 1927 wendeten sich die Brüder Rotter der Operette zu, mit Werken von Franz Lehár, Ralph Benatzky und Paul Abraham. Trotz der Verschuldung ihres Theaterkonzerns feierten sie immer wieder Grosserfolge. Die New York Times, der 1929 das Melodramatische bei den Rotters aufgefallen war, diagnostizierte 1932, dass sie nun «the lighter things of musical comedy» akzentuierten.
Bis Mitte Januar 1933 versuchte Fritz, durch die Gründung einer Auffanggesellschaft den drohenden Konkurs der Rotter-Bühnen zu verhindern, scheiterte aber an Gegenspielern, die offen deren Ruin betrieben. Danach erteilte er seinem Anwalt Vollmachten und schloss sich seinem Bruder Alfred und der Schwägerin Gertrud an, die in Liechtenstein ins Exil gingen, wo sie 1931 die Staatsbürgerschaft erlangt hatten (→Finanzeinbürgerung). Bei einem antisemitisch motivierten Entführungsversuch liechtensteinischer und deutscher Nationalsozialisten kamen am 5.4.1933 Alfred und Gertrud ums Leben (→Rotter-Entführung). Fritz konnte sich durch den Sprung aus einem der Entführerwagen retten, brach sich dabei aber die Achsel. Der Zürcher Rechtsanwalt Wladimir Rosenbaum, dessen Ehefrau, die Schrifstellerin Aline Valangin, und der Kasseler Rechtsanwalt Erich Lewinski ermöglichten ihm die Flucht ins Pariser Exil.
In Frankreich stand Fritz in Kontakt zu seinen Schwestern Ella und Lucie, welch letztere ihn finanziell unterstützte. In ständigen Geldsorgen, stellte er 1938 in Strassburg einen ungedeckten Scheck aus. Da er nicht zur Gerichtsverhandlung erschien, wurde er polizeilich gesucht und im Sommer 1939 verhaftet. Am 7.10.1939 starb Fritz Rotter im Gefängnis von Colmar, vermutlich an Herzversagen.
Literatur
- Peter Kamber: Fritz und Alfred Rotter. Ein Leben zwischen Theaterglanz und Tod im Exil, Leipzig 2020.
- Peter Kamber: Fritz Rotters Jahre in Frankreich und sein Tod am 7. Oktober 1939 im elsässischen Colmar, in: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein, Bd. 113 (2014), S. 107–113.
- «Jener furchtbare 5. April 1933»: Pogrom in Liechtenstein, hg. und mit einer Dokumentensammlung versehen von Hansjörg Quaderer, mit einer Graphic Novel von Hannes Binder, Zürich 2013.
- Peter Kamber: Zum Zusammenbruch des Theaterkonzerns der Rotter und zum weiteren Schicksal Fritz Rotters. Neue Forschungsergebnisse, in: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein, Bd. 106 (2007), S. 73–100.
Normdaten
GND: 116642491
Zitierweise
<<Autor>>, «Rotter (Schaie), Fritz», Stand:16.8.2021, in: Historisches Lexikon des Fürstentums Liechtenstein online (eHLFL), URL: <<URL>>, abgerufen am 6.2.2025.