Ruscheweyh, Rudolf

Autor: Hanspeter Lussy | Stand: 31.12.2011

Waffenhändler. *31.12.1905 Erfurt (D), †15.1.1954 Genf, Deutscher, ab 1948 von Schaan. Sohn des Fabrikdirektors Paul und der Karoline, geb. Demme. 1) 1938 Hélène A. Parent, 2) 24.2.1947 Andrée E. Bodson (*10.11.1919, †7.12.1954), zwei Kinder.

Gymnasium in Erfurt. In den 1920er und 1930er Jahren Vertreter der väterlichen Maschinenfabrik Ruscheweyh & Co., Erfurt, in den Niederlanden und Frankreich. Ruscheweyhs 1936 gegründete Firma NV Handel Maatschappij Cellastic, Amsterdam, vergab Lizenzen und errichtete v.a. in den Balkanländern Kriegsmaterialfabriken.

Ab 1936 war Ruscheweyh als Geheimdienstagent der deutschen Abwehr und im Zweiten Weltkrieg als Wirtschaftsberater des Heereswaffenamts und in der deutschen Militärverwaltung in Frankreich tätig. Als Generalvertreter der schweizerischen Werkzeugmaschinenfabrik Oerlikon-Bührle & Co. (WO) für Deutschland vermittelte er 1940–1944 für Emil Bührle den Verkauf von Waffen an das NS-Regime. Aus Steuergründen liess er sich 1940 formal in Liechtenstein nieder und überführte Patente auf ein liechtensteinisches Sitzunternehmen. Ruscheweyh war vermutlich an der Finanzierung des 1941 in Eschen errichteten WO-Zulieferbetriebs Press- und Stanzwerk AG (Presta) beteiligt (→ThyssenKrupp Presta AG). 1942/43 baute er in Schaan die Villa Steinegerta; 1944 setzte er sich mit einem liechtensteinischen Diplomatenpass nach Liechtenstein ab, wohin er einen Teil der Provisionen aus den Waffengeschäften in Sicherheit gebracht hatte (über 10 Mio. Fr.). Vermutlich aufgrund einer Verwechslung wurde er von den Alliierten als Kriegsverbrecher gesucht, weshalb ihm die Schweiz bis 1948 die Einreise verbot. Gerüchte, Ruscheweyh habe NS-Gelder in seinem Landsitz in Schaan versteckt, konnten nicht erhärtet werden. Hingegen verbarg er über ein liechtensteinisches Sitzunternehmen Gelder vor der Sperre deutscher Vermögenswerte.

Nach dem Kriegsende führte Ruscheweyh gegen Bührle und die Schweizer Behörden einen Streit um die Restzahlung von Provisionen aus Waffengeschäften mit dem Dritten Reich. Trotz Widerspruch der Schweiz verlieh ihm Liechtenstein 1948 das Bürgerrecht. Ruscheweyh stieg wieder in den internationalen Waffenhandel ein, übersiedelte Ende der 1940er Jahre in die USA und vermittelte über den 1952 gegründeten Octogon Trust reg., Schaan, Geschäfte, u.a. für die Genfer Waffenfirma Hispano Suiza SA.

Archive

  • Schweizerisches Bundesarchiv, Bern (BA).

Quellen

Literatur

  • Peter Geiger: Kriegszeit. Liechtenstein 1939 bis 1945, Vaduz/Zürich 2010, Bd. 2 , S. 350f.
  • Esther Tisa Francini: Liechtenstein und der internationale Kunstmarkt 1933–1945. Sammlungen und ihre Provenienzen im Spannungsfeld von Flucht, Raub und Restitution, Vaduz/Zürich 2005 (= Veröffentlichungen der Unabhängigen Historikerkommission Liechtenstein Zweiter Weltkrieg, Studie 4).
  • Veronika Marxer, Christian Ruch: Liechtensteinische Industriebetriebe und die Frage nach der Produktion für den deutschen Kriegsbedarf 1939–1945, Vaduz/Zürich 2005 (= Veröffentlichungen der Unabhängigen Historikerkommission Liechtenstein Zweiter Weltkrieg, Studie 2).
  • Hanspeter Lussy, Rodrigo López: Finanzbeziehungen Liechtensteins zur Zeit des Nationalsozialismus, 2 Bände, Vaduz/Zürich 2005 (= Veröffentlichungen der Unabhängigen Historikerkommission Liechtenstein Zweiter Weltkrieg, Studie 3).
  • Peter Hug: Schweizer Rüstungsindustrie und Kriegsmaterialhandel zur Zeit des Nationalsozialismus. Unternehmensstrategien - Marktentwicklung - politische Überwachung, Bd. 2, Zürich 2002 (=Unabhängige Expertenkommission Schweiz – Zweiter Weltkrieg, Bd. 11), S. 618–625.

Normdaten

GND: 1194319106

Zitierweise

<<Autor>>, «Ruscheweyh, Rudolf», Stand: 31.12.2011, in: Historisches Lexikon des Fürstentums Liechtenstein online (eHLFL), URL: <<URL>>, abgerufen am 17.2.2025.