Saminatal

Autor: Herbert Hilbe, Mario F. Broggi | Stand: 14.4.2023

Im liechtensteinischen Berggebiet (950–1300 m ü.M.) sowie im angrenzenden Vorarlberg (Gemeinde Frastanz) gelegenes, von der Samina durchflossenes Tal. Am Westhang des Saminatals befinden sich die Alpen Sücka, Bargälla und Garsälli (alle Triesenberg) sowie das Waldreservat Plankner Garselli, am Osthang die Alpen Vorder- und Mittlervalorsch (beide Schaan) sowie das Waldreservat Zegerberg (Balzers). Das Saminatal setzt sich gegen Süden von der Siedlung Steg ins Valünatal fort. Östliche Seitentäler sind das Valorsch- und das Malbuntal.

Der Name Samina ist vorrömischen Ursprungs und bisher nicht sicher zu deuten. Erste urkundliche Erwähnung des Saminatals 1378 (samunnen tal), der Samina bereits 1355 («bach, der da gehaissen ist Samiun»).
Herbert Hilbe

Nutzungsgeschichte

Die ehemals intensive alpwirtschaftliche Nutzung der hochgelegenen Weideflächen an den Talflanken beschränkt sich heute auf die Alpen Sücka, Bargälla und Valorsch. Das Triesenberger Garsälli wird noch als Galtalp genutzt, im Plankner Garselli und am Zegerberg wurde die Alpwirtschaft aufgegeben. Der Gebirgswald diente bis ins 19. Jahrhundert als Waldweide für Schafe und Ziegen sowie bis heute der Jagd. Geschlagenes Holz wurde bis 1910 auf dem Saminabach nach Frastanz (Vorarlberg) getriftet. Bei den letzten grossen Holzschlägen 1926/27 (Garselli) und 1935 (Zegerberg) erfolgte der Abtransport über eine Seilbahn. Kaum belegt ist die Holznutzung für die Köhlerei und für das längstens bis ins frühe 17. Jahrhundert betriebene Bergwerk im Valorsch. Die Fischerei in der Samina ist seit dem 17. Jahrhundert nachgewiesen. Heute steht jedoch die energetische Nutzung der Wasserkraft im Vordergrund, auf dem liechtensteinischen Gebiet insbesondere durch das 1947–1949 errichtete Saminawerk, welches der Samina bedeutende Wassermengen entzieht. Durch das Saminatal führt ein beliebter Wanderweg nach Amerlügen (Frastanz). Eine 1957–1959 im Vorarlberger Teil des Tals erstellte Erschliessungsstrasse endet vor der liechtensteinischen Grenze.

Naturraum und Naturschutz

Im unteren (nördlichen) Abschnitt des Saminatals liegt der für Liechtenstein einmalige Zustand einer Wildnis vor, in der die dynamischen Prozesse einer ungebändigten Natur mit dem Wildfluss Samina und seinen über mächtige Rüfeschuttkegel verfügenden Zubringern stattfinden. Solche Prozesse sind für die Erhaltung der Biodiversität von essenzieller Bedeutung. Darüber hinaus stellt die «Wildnis» eine Gegenwelt zur zivilisatorischen Ordnung und zur traditionellen Kulturlandschaft dar und wird damit selbst zum schützenswerten Kulturgut.

In Mitteleuropa gibt es kaum mehr Bereiche, die der ursprünglichen (primären) Wildnis entsprechen. Es gibt aber noch ausreichend grosse, weitgehend unzerschnittene und nutzungsfreie Gebiete, die dem Menschen den unbeeinflussten Ablauf natürlicher Prozesse aufzeigen (sog. Zielwildnis). Dazu zählt in Liechtenstein besonders das Untere Saminatal, das seit dem Internationalen Naturschutzjahr 1970 für ein grossflächiges Schutzgebiet («Nationalpark») im Gespräch ist. Dieser Raum umfasst mit dem Plankner Garselli und dem Zegerberg auch die grösseren Waldreservate Liechtensteins. Er wird nur durch den Dreischwesternweg und im Talgrund durch den Samina-Wanderweg für den Menschen erschlossen. Unter Einbezug des Triesenberger Garsälli und der Drei Schwestern wurde dieses Gebiet im Naturschutzgutachten 1977 als grossflächiges Alpenreservat mit 1363 ha Fläche vorgeschlagen.

Unterstützung fand die Unterschutzstellung unter anderem durch die Liechtensteinische Gesellschaft für Umweltschutz und den Liechtensteiner Alpenverein (1986) sowie den «Silbernen Bruch» (1987). Die 1989 vom Landesforstamt beantragte Unterschutzstellung des Gebiets «Unteres Saminatal» wurde von der Gemeinde Planken befürwortet, aber nicht von den Gemeinden Balzers und Triesenberg. 1989 wurde zumindest ein Pflanzenschutzgebiet realisiert, im Jahr 2000 das Waldreservat Garselli-Zegerberg und 2014 eine Winterruhezone für Wildtiere unterhalb der Alp Bargälla.

Weiter gefasst ist die Idee des Einbezugs von Teilen des Samina- und des Galinatales in Vorarlberg, die 1988 im Biotopinventar Vorarlberg als Grossraumbiotop ausgeschieden wurden und deren Spirkenwälder (Haken-Kiefer-Wälder) seit 2002 als Natura 2000-Gebiete ausgewiesen sind. Zusammen entstünde ein grenzüberschreitendes Wildnisgebiet von rund 2500 ha. Es wäre ausreichend gross, um entsprechende Räume mit dynamischer, freier Entwicklung auszuweisen und die Anerkennung als Kategorie 1b «Wildnisgebiet» durch die Internationale Naturschutzunion (IUCN) anzustreben.
Mario F. Broggi

Literatur

  • Naturmonographie Samina- und Galinatal, hg. von der Botanisch-Zoologischen Gesellschaft Liechtenstein-Sarganserland-Werdenberg, inatura und der Liechtensteinischen Gesellschaft für Umweltschutz, Redaktion: Rudolf Staub, Vaduz/Schaan/Dornbirn 2022 (= Sonderdruck aus: Berichte der Botanisch-Zoologischen Gesellschaft Liechtenstein-Sarganserland-Werdenberg, Bd. 42).
  • Mario F. Broggi: Zur Nutzungsgeschichte im Samina- und Galinatal (Liechtenstein-Vorarlberg), in: Naturmonographie Samina- und Galinatal, Vaduz/Schaan/Dornbirn 2022, S. 9–28.
  • Mario F. Broggi: Vorschlag für ein grenzüberschreitendes Wildnisgebiet Samina-/Galinatal (Liechtenstein/Vorarlberg), in: Naturmonographie Samina- und Galinatal, Vaduz/Schaan/Dornbirn 2022, S. 145–152.
  • Hans Stricker, Toni Banzer, Herbert Hilbe: Liechtensteiner Namenbuch, Teil I: Die Orts- und Flurnamen des Fürstentums Liechtenstein, Bd. 2: Die Namen der Gemeinden Triesenberg, Vaduz, Schaan, Vaduz 1999 (FLNB I/2), S. 185f.
  • Inventar der Naturvorrangflächen des Fürstentums Liechtenstein, Auftraggeber: Regierung des Fürstentums Liechtenstein/Landesforstamt, Auftragnehmer: Mario F. Broggi AG, bearb. von Mario F. Broggi et al., Vaduz 1992, Objekte B 3.10, W 3.2, W 5.3.
  • Mario F. Broggi: Ein grossflächiges Alpines Schutzgebiet für Liechtenstein?, in: Natur- und Nationalparke, Europäisches Bulletin, hg. von der Föderation der Natur- und Nationalparke, Grafenau (Bayern), Vol. 28 (1988), S. 27–33.
  • Mario F. Broggi: Biotopinventar Vorarlberg, Teilinventar Walgau – Hanglagen Schattseite, im Auftrag des Vorarlberger Landschaftspflegefonds, Vaduz 1988.
  • Liechtensteinische Gesellschaft für Umweltschutz: Vorstellungen für ein grossflächiges Schutzgebiet im Unteren Saminatal, in: Unsere Berge. Festschrift zur Ausstellung über unsere Bergwelt vom 2.–19. September 1988 im Gemeindezentrum Triesenberg, hg. vom Liechtensteiner Alpenverein, Balzers 1988, S. 55–60.
  • Mario F. Broggi, Georg Willi: Frühere Nutzungen und heutige Waldverhältnisse am Zigerberg (Gemeinde Balzers), in: Bergheimat. Jahresschrift des Liechtensteiner Alpenvereins, Schaan 1983, S. 5–30.
  • Mario F. Broggi, Georg Willi: Die Waldverhältnisse im Triesenberger und Plankner Garsell, in: Bergheimat. Jahresschrift des Liechtensteiner Alpenvereins, Schaan 1982, S. 63–94.
  • Inventar der geschützten und schützenswerten Naturgebiete des Fürstentums Liechtenstein, FL-Naturschutzgutachten 1977, im Auftrag der Regierung des Fürstentums Liechtenstein erstellt von Broggi & Wolfinger AG, Vaduz 1977, Objektnummer 3.2.
  • Eugen Bühler: Ein Nationalpark in Liechtenstein?, in: Menschen, Natur und Landschaft, hg. vom Aktionskomitee zur Aktivierung des Natur- und Landschaftsschutzes in Liechtenstein, Vaduz 1970, S. 112–114.

Von der Redaktion nachträglich ergänzt

  • Mario F. Broggi: Der grosse Holzschlag im liechtensteinischen Saminatal der Jahre 1925 bis 1927, in: Jahrbuch Historischer Verein für das Fürstentum Liechtenstein, Bd. 123 (2024), S. 129–149.

Externe Links

Normdaten

GND: 111926099X

Zitierweise

<<Autor>>, «Saminatal», Stand: 14.4.2023, in: Historisches Lexikon des Fürstentums Liechtenstein online (eHLFL), URL: <<URL>>, abgerufen am 7.2.2025.

Medien

Das untere Saminatal, Blick von Liechtenstein nach Norden in Richtung Vorarlberg (Foto: Rudolf Staub).
Holzarbeiter auf der Seilbahn und auf dem Holzsteg über den Saminabach beim letzten grossen Holzschlag im Garselliwald, ca. 1927 (Liechtensteinisches Landesarchiv, SgAV 18/4/073, Foto: Friedrich Reich, Triesen).
Die Samina mit Geschiebe im unteren Saminatal, 2018 (Foto: Mario F. Broggi).
Buchenwald im Saminatal, 2022 (Foto: Mario F. Broggi).