Sammlungen des Fürsten von Liechtenstein

Autor: Uwe Wieczorek | Stand: 31.12.2011

Die Sammlungen des Fürsten von Liechtenstein gehören zu den bedeutendsten Privatsammlungen der Welt. Sie umschliessen die Gattungen Malerei, Plastik, Kunsthandwerk, Grafik und Waffen von der Mitte des 14. bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts. Den Schwerpunkt bildet die Epoche des Barock, u.a. mit hochrangigen Gemälden von Peter Paul Rubens, Anthonis van Dyck und Rembrandt sowie mit Plastiken von Giambologna, Adriaen de Vries und Massimiliano Soldani Benzi. Die Sammlungen sind seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs im Schloss Vaduz, der privaten Residenz des Fürsten von Liechtenstein, untergebracht. Seit 1952 sind sie durch Wechselausstellungen im Engländerbau bzw. seit 2000 im Kunstmuseum Liechtenstein (Vaduz), seit 2004 im Gartenpalais in Wien (2004–11 «Liechtenstein Museum») sowie durch temporäre Leihgaben an auswärtige Museen in Teilen auch der Öffentlichkeit zugänglich. Einen umfassenderen Überblick gewährten Ausstellungen in Luzern (1948), New York (1985–86), Jerusalem und Luxemburg (1995).

Der Beginn der Fürstlichen Sammlungen liegt, sofern nicht der Massstab gezielten Sammelns angelegt wird, im Dunkeln. Mit Karl I. von Liechtenstein (1569–1627) trat erstmals in der Geschichte des Hauses eine Persönlichkeit hervor, die ein profiliertes und der im Jahr 1608 verliehenen Fürstenwürde gemässes Interesse an Kunst zum Ausdruck brachte. Bereits 1597 zeigte sich Kaiser Rudolf II., einer der führenden Sammler seiner Zeit, an Karls Kunstbesitz interessiert. Im Jahr 1600 zum kaiserlichen Obersthofmeister ernannt, vergab Karl nun auch Aufträge an die für Rudolf am Prager Hof tätigen Künstler, v.a. an Goldschmiede und Edelsteinschneider sowie an den Bildhauer Adriaen de Vries, dessen lebensgrosse Bronzen «Christus im Elend» und «Heiliger Sebastian» zu den bedeutendsten Werken der Fürstlichen Sammlungen zählen. Die Guardaroba-Inventare von 1613 und 1620 enthalten neben Teppichen und Möbeln auch Gold- und Silbergeräte sowie Bergkristallgefässe und Gemälde. Nach Karls Tod übernahm dessen Sohn Karl Eusebius die Führung des Hauses Liechtenstein.

Fürst Karl Eusebius’ (1611–1684) primäre Sorge galt der Pflege des Familienbesitzes. Zur Errichtung oder Umgestaltung von Kirchen und Schlössern, z.B. in Eisgrub und Feldsberg, beschäftigte er Architekten, Steinmetze und Maler. Das eigenhändige «Werk von der Architektur» verrät detaillierte Sachkenntnis. Seinen Nachkommen gab er den Rat, «schene Monumenta zu ebigen und unsterblichen Gedechtnus» zu schaffen. Karl Eusebius gilt als der eigentliche Gründer der Sammlungen, denn jenseits eines allein dem Fürstenrang verpflichteten Repräsentationsbedürfnisses kennzeichneten Liebe und Kennerschaft sein Verhältnis zur Kunst. Mit ihm verbindet sich, als Auftraggeber wie als Sammler, der Erwerb feinster italienischer Kleinbronzen, holländischer und flämischer Gemälde sowie kunsthandwerkliche Gegenstände.

Ganz dem väterlichen Rat folgte Fürst Johann Adam Andreas (1657–1712). Er führte die Sammlungen zum Zenit ihrer Geschichte. Nahe der kaiserlichen Hofburg in Wien baute er ein Stadtpalais, das ihm als Residenz und Galerie diente, sowie in der Rossau ein Gartenpalais. Ausführender Architekt war der Italiener Domenico Martinelli. Zur Ausstattung beider Paläste beauftragte der Fürst vorrangig Künstler aus Italien. Die bislang im Schloss Feldsberg untergebrachten Sammlungen fanden nun im Stadtpalais ein neues Zuhause. Vor allem die durch Johann Adam erworbenen Gemälde von Peter Paul Rubens (darunter der Decius-Mus-Zyklus) und Anthonis van Dyck begründen bis heute den weltweiten Ruhm der Fürstlichen Sammlungen.

Mit Fürst Josef Wenzel (1696–1772) erfuhren die Sammlungen eine barocke Nachblüte. Wo immer er diplomatisch für das österreichische Kaiserhaus tätig war, etwa in Berlin und Paris, suchte er den Kontakt zu Künstlern. Zwei der schönsten Kunstwerke, die er in Auftrag gab, sind die um 1759 entstandenen Gemälde von Bernardo Bellotto mit der Garten- und Seitenansicht des Palais Liechtenstein in der Rossau. Die Sammlungen verdanken ihm auch den Erwerb einer Reiterstatuette von Giambologna. Als Geschenke kamen ein KPM-Tafelservice von König Friedrich dem Grossen sowie sechs spanische Prunkgewehre von Kaiser Joseph II. hinzu.

Nach dem Tod Josef Wenzels trat Fürst Johann I. (1760–1836) als bedeutender Sammler in Erscheinung. Er erwarb nicht weniger als 711 Gemälde, vor allem der holländischen und der altdeutschen Schule. Zwischen 1807 und 1810 verlegte er die Galerie aus dem Stadt- in das Gartenpalais, wo sie auf Anfrage bereits einem interessierten Publikum zugänglich war.

Konzentrierten sich die Fürsten von Liechtenstein bis zu Alois II. (1796–1858) jeweils zeitgenössisch auf das 16. bis 19. Jahrhundert, so ergänzte Fürst Johannes II. (1840–1929) die Sammlungen, auf deren Anschluss an die Moderne er verzichtete, durch Werke des 14. und 15. Jahrhunderts. Er erwarb Meister der Gotik und der Renaissance, verstärkte zugleich den Bestand an Gemälden des Wiener Biedermeier. 1905–14 renovierte er das Schloss Vaduz, das Fürst Franz Josef II. (1906–89) als Residenz wählte, nachdem er Wien 1938 nach der Annexion Österreichs durch das Deutsche Reich verlassen hatte. Unter schwierigsten Bedingungen wurden während des Kriegs auch die Sammlungen des Fürsten von Liechtenstein, die mit einem Ausfuhrverbot belegt waren, nach Vaduz gebracht und somit vor Raub und Zerstörung gerettet. Zwecks Kompensation kriegsbedingter Eigentumsverluste verkaufte Franz Josef zahlreiche Kunstwerke – eine nicht unumstrittene Massnahme, die durch seinen Sohn, Fürst Hans-Adam II. (geb. 1945), zum Abschluss kam. Dank ihm sind die Fürstlichen Sammlungen seit der Mitte der 1970er Jahre durch Neuerwerbungen wieder im Wachstum begriffen.

Es waren die Fürsten Karl I., Karl Eusebius und Johann Adam Andreas, welche die Sammlungen begründeten, ihnen ihr barockes Gepräge gaben und sie ihrem glanzvollen Höhepunkt zuführten. Es ist das Verdienst aller nachfolgenden Fürsten, dieses kostbare Erbe gepflegt und, sofern möglich, erweitert zu haben. Dabei lenkte stets persönlicher Geschmack die Erwerbungspolitik. Nahmen sie zunächst Künstler als Berater sowie als Leiter der Galerie in ihre Dienste, so wurden die Sammlungen seit der Mitte des 19. Jahrhunderts wissenschaftlicher Betreuung unterstellt. Fürst Johannes II. stand jahrzehntelang der Berliner Kunsthistoriker und Museumsdirektor Wilhelm von Bode zur Seite. 1938–75 leitete Gustav Wilhelm die Sammlungen. Ihm folgten Reinhold Baumstark, 1992–2003 Uwe Wieczorek sowie ab 2003 Johann Kräftner.

Literatur

  • Der Fürst als Sammler. Neuerwerbungen unter Hans-Adam II. von und zu Liechtenstein, hg. von Johann Kräftner, Wien 2010.
  • Esther Tisa Francini: Liechtenstein und der internationale Kunstmarkt 1933–1945. Sammlungen und ihre Provenienzen im Spannungsfeld von Flucht, Raub und Restitution, Vaduz/Zürich 2005 (= Veröffentlichungen der Unabhängigen Historikerkommission Liechtenstein Zweiter Weltkrieg, Studie 4), S. 157–213.
  • Meisterwerke der Sammlungen des Fürsten von Liechtenstein, hg. von Uwe Wieczorek und der Kunststiftung der LGT Bank in Liechtenstein, Bern 1996.
  • Reinhold Baumstark: Meisterwerke der Sammlungen des Fürsten von Liechtenstein. Gemälde, Zürich 1980.

Von der Redaktion nachträglich ergänzt

Zitierweise

<<Autor>>, «Sammlungen des Fürsten von Liechtenstein», Stand: 31.12.2011, in: Historisches Lexikon des Fürstentums Liechtenstein online (eHLFL), URL: <<URL>>, abgerufen am 10.2.2025.

Medien

Der Herkulessaal im Gartenpalais Liechtenstein in Wien, entworfen von Architekt Domenico Martinelli kurz nach 1700, Fresko von Andrea Pozzo (1642–1709) mit den Taten des Herkules und seiner Apotheose, 1704–1708. © Palais Liechtenstein GmbH / Fotomanufaktur Grünwald.