
Sankt Gallen (Kloster)
Autor: Lorenz Hollenstein | Stand: 31.12.2011
Gallus, Begleiter des irischen Wanderabts Columban auf dessen Missionsreise auf dem Kontinent, gründete um 612 an der Steinach eine Einsiedelei. Um 719 gab der in Chur ausgebildete alamannische Priester Otmar der verfallenden Galluszelle einen neuen Anfang. Es entstand ein Kloster, in dem 747 die Benediktsregel eingeführt wurde. Durch Güterschenkungen im 8.–10. Jahrhundert wurde die Abtei wohlhabend. Abt Gozbert baute 830–37 das karolingische Münster. Unter Äbten wie Grimald und Salomo, die wichtigste Stellungen im Karolingerreich bekleideten, erreichte das Kloster eine Hochblüte. Von ihr zeugen kostbarste Handschriften, so das «Evangelium longum» mit beschnitztem Elfenbeineinband, der «Folchart-Psalter» und der «Goldene Psalter». Vor dem Kloster entstand eine Stadt, die nach und nach die Unabhängigkeit erlangte. Vor 1167 ist ein dem Kloster St. Gallen gehörender Hof in Eschen erwähnt, der 1277/81 wieder verkauft wurde. Noch um 1400 besass das Kloster Einkünfte aus Eschen. Im Hoch- und Spätmittelalter geriet das Kloster unter verweltlichten Äbten und durch Konflikte mit den Appenzellern in eine schwere Krise, von der es sich erst von der Mitte des 15. Jahrhunderts an erholte. 1451 schloss es sich als erster zugewandter Ort der Eidgenossenschaft an. Der Wiederaufstieg des geistlichen Reichsfürstentum St. Gallen ist im Wesentlichen die Leistung von Abt Ulrich Rösch (1426–1491). Er fasste Besitz und Rechte der Abtei zu einem neuzeitlichen Territorialstaat zusammen und erreichte auch in geistig-geistlicher Hinsicht eine Gesundung des Klosters. So konnte dieses die Reformation überstehen. 1555 inkorporierte die Abtei das Kloster Sankt Johann im Thurtal. 1609 plante Abt Bernhard Müller den Kauf der Grafschaft Vaduz und der Herrschaft Schellenberg. Im 17./18. Jahrhundert erreichte die Abtei nochmals einen Höhepunkt. Ausdruck davon sind die nach 1750 errichteten Neubauten, die Stiftskirche, die neue Pfalz, die Stiftsbibliothek. Die selbständige geistliche Landesverwaltung, dem Bistum Konstanz mühsam abgerungen, erreichte mit dem Vertrag (Concordia) von 1748 ihre höchste Entfaltung. Aufklärung und Französische Revolution führten das Ende von Klosterstaat und Abtei herbei. 1805 hob der Grosse Rat des 1803 geschaffenen Kanton St. Gallen das Kloster auf.
Quellen
- Liechtensteinisches Urkundenbuch, Teil I: Von den Anfängen bis zum Tod Bischof Hartmanns von Werdenberg-Sargans-Vaduz 1416, Bd. 2: Aus den Archiven zu St. Gallen, bearb. von Franz Perret, Vaduz 1953 (LUB I/2).
Literatur
- Das Kloster St. Gallen im Mittelalter. Die kulturelle Blüte vom 8. bis zum 12. Jahrhundert, hg. von Peter Ochsenbein, Darmstadt 1999.
- Die Kultur der Abtei St. Gallen, hg. von Werner Vogler, Zürich 1990, 31993.
- Johannes Duft, Anton Gössi, Werner Vogler: St. Gallen, in: Helvetia Sacra, Abteilung III: Die Orden mit Benediktinerregel, Bd. 1: Frühe Klöster, die Benediktiner und Benediktinerinnen in der Schweiz, Bern 1986, S. 1180–1369.
- Otto Seger: Aus den alten Zeiten des Herrschaftsüberganges von Brandis zu Sulz und von Sulz zu Hohenems, in: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein, Bd. 60 (1960), S. 65–69.
Zitierweise
<<Autor>>, «Sankt Gallen (Kloster)», Stand: 31.12.2011, in: Historisches Lexikon des Fürstentums Liechtenstein online (eHLFL), URL: <<URL>>, abgerufen am 16.2.2025.