
Sankt Luzisteig
Autor: Florian Hitz | Stand: 31.12.2011
Östlich des Fläscherbergs verlaufende Passstrasse zwischen Balzers und Maienfeld (GR). Volkstümlich Steig; ältere Bezeichnung in Silva Martis.
Der Übergang besteht aus einem 1 km langen Sattel mit zwei historischen Gebäudegruppen: der Luzikirche mit dem Steighof (heute Landgasthof) auf der Passhöhe (Gemeinde Maienfeld, 713 m ü.M.) und der Festung mit Kaserne und Kantinen im Engpass (Gemeinde Fläsch, GR, 691 m ü.M.). Die Festungswerke kontrollieren die nördliche Passrampe, an deren Fuss die Balzner Güter von Prad liegen.
Bodenfunde belegen die Begehung des Passes seit der Jungsteinzeit und eine Siedlungskontinuität am Pass seit der Bronzezeit. Aus römischer Zeit stammen Münzen sowie Votivgaben aus dem Passheiligtum (Bronzestatuette des Wassergottes Neptun, Bergkristalle, Geschirr). Die ebendort gefundenen Kalköfen sind jüngeren Ursprungs; sie dienten seinerzeit wohl zur baulichen Verarbeitung der Tempelüberreste.
Im Frühmittelalter entstand die nach dem hl. Luzius benannte Luzikirche. Diese erscheint um 842 als Teil des Königsguts zu Fläsch. Sie war die Mutterkirche von Maienfeld und Fläsch. Ab dem 14. Jahrhundert waren ihrem Pfarrsprengel auch Guscha und die übrigen Walsersiedlungen am Maienfelder Berg eingegliedert. Um 1465 wurde sie der Maienfelder Stadtpfarrkirche St. Amandus unterstellt. Die Pfrundgüter der Steigkirche bildeten den Steighof; dieser wurde vom «Steigmeier» bewirtschaftet. Bis 1816 blieb der Hof, zu dem schon im 15. Jahrhundert eine Taverne gehörte, gemeinsamer Besitz von Maienfeld und Fläsch. Seither bildet er eine Maienfelder Enklave im Fläscher Territorium.
Während des Schwabenkriegs (1499), des Dreissigjährigen Kriegs (1618–48) und der Koalitionskriege (1792–1809) hatte die St. Luzisteig eine grosse strategische Bedeutung. Die Fortifikationen entstanden 1622 als gemauertes Sperr- und Schanzwerk. Dabei wurden vermutlich die Reste einer mittelalterlichen Vorgängeranlage beseitigt. 1,25 km weiter nördlich sind Spuren älterer Talsperren und Letzinen zu erkennen. Die jeweiligen Stellungen wurden 1499, 1620–22 und 1799 bei militärischen Auseinandersetzungen gestürmt, die vorhandenen Werke teilweise zerstört.
Seit 1834 besteht auf der St. Luzisteig ein Waffenplatz der Schweizer Armee. Durch Schiessübungen wurden 1956, 1960 und 1985 Teile des auf Bündner Territorium liegenden Balzner Gemeindewalds in Brand gesteckt. Eine zwischenstaatliche Waffenplatz-Kommission beschloss 1992 den Einsatz von «nicht brandgefährlicher» Munition sowie eine Begrenzung des in Balzers hörbaren Schiesslärms.
Die St. Luzisteig bot in historischer Zeit die einzige fahrbare Verbindung (ohne Rheinquerungen) aus Liechtenstein nach Graubünden. 1781–84 bauten die Bündner die Reichsstrasse zwischen der Grenze bei Balzers und Maienfeld aus. Der Maienfelder und der Liechtensteiner Landvogt verständigten sich in der Folge über Weggelder bzw. Fuhrtaxen. Die grenzpolizeilichen Schranken an der Steigstrasse fielen 1923 durch den Zollanschlussvertrag Liechtensteins mit der Schweiz.
Literatur
- Emanuel Vogt: Mier z Balzers. Wie es früher bei uns war, Bd. 1: Lebensraum, Vaduz 1995, S. 162–166, 208–219.
- Luzi Dosch, Markus Rischgasser: Festung St. Luzisteig. Historische Ansichten und Pläne im Perimeter der 3. Ausbauetappe mit Beiträgen zur übrigen Anlage, Chur 1995.
- Otto P. Clavadetscher, Werner Meyer: Das Burgenbuch von Graubünden, Zürich 1984, S. 318f.
- Bernhard Overbeck: Geschichte des Alpenrheintals in römischer Zeit. Auf Grund der archäologischen Zeugnisse, Teil 1: Topographie, Fundvorlage und historische Auswertung, München 1982 (= Münchner Beiträge zur Vor- und Frühgeschichte, Bd. 20), S. 135–137.
- Erwin Poeschel: Die Kunstdenkmäler des Kantons Graubünden, Bd. 2: Talschaften Herrschaft Prättigau, Davos, Schanfigg, Churwalden, Basel 1937.
- Theophil Sprecher von Bernegg: Aus der Geschichte der St. Luzisteig, hg. von Friederich Pieth, Chur 1934.
- Jakob Kuoni: Maienfeld, St. Luzisteig und die Walser, Bad Ragaz 1921.
Von der Redaktion nachträglich ergänzt
- Arthur Brunhart, Max Leuener, Roland Marxer: Sankt Luzisteig. Geschichte und Gegenwart, Buchs 2014 (= Gesellschaft Schweiz-Liechtenstein, Schriftenreihe Nr. 11).
Medien

Zitierweise
<<Autor>>, «Sankt Luzisteig», Stand: 31.12.2011, in: Historisches Lexikon des Fürstentums Liechtenstein online (eHLFL), URL: <<URL>>, abgerufen am 9.2.2025.