
Schädler, Gustav
Autor: Rupert Quaderer | Stand: 31.12.2011
Regierungschef und Landtagsabgeordneter. *18.11.1883 Triesenberg, †19.6.1961 Vaduz, von Triesenberg, ab 1914 wohnhaft in Vaduz. Sohn des Landwirts und Gemeinderats Adolf und der Maria, geb. Beck, vier Geschwister. ⚭ 16.12.1918 Olga Real (*29.7.1889, †26.7.1974), Tochter des Bürgermeisters Adolf Real, zwei Söhne.
Lehrerseminar in Saulgau (Württemberg), 1906–12 Lehramtsstudium sprachlich-historischer Richtung in Zürich, Sprachaufenthalte in der Westschweiz, Frankreich und Italien. 1914–22 und 1928–45 Lehrer an der Landesschule Vaduz.
1919–22 vom Fürsten ernannter Landtagsabgeordneter (VP), Schriftführer. Schädler, der sich in Liechtenstein schon vor seinem Eintritt in die aktive Politik als Vortragsredner einen Namen gemacht hatte, trat als Mitglied des Landtags an der Seite von Wilhelm Beck für eine Verfassungsrevision mit dem Ziel der Stärkung der Volksrechte nach schweizerischem Vorbild und für einen Zollanschluss an die Schweiz ein. Im September 1920 war er Teilnehmer und Protokollant bei den Schlossverhandlungen (→ Schlossabmachungen). Die Landtagswahlen 1922 brachten der Volkspartei eine klare Mehrheit. Am 2.3.1922 wurde Schädler vom Landtag zum Regierungsrat gewählt. Nach der Demission von Josef Ospelt (FBP) ernannte ihn Fürst Johann II. am 10.6.1922 auf Vorschlag des Landtags zum neuen Regierungschef. Die neue Regierung hatte eine Reihe grosser Probleme zu lösen: Der Zollvertrag mit der Schweiz musste ausgehandelt, die Währungsfrage gelöst, das Verwaltungs- und Finanzierungssystem auf eine neue Grundlage gestellt werden, neue Arbeitsplätze waren zu schaffen und die Staatsfinanzen zu sanieren. Es erfolgten u.a. der Abschluss der Verhandlungen mit der Schweiz (Zollanschlussvertrag 1923, Fremdenpolizeivereinbarung 1923) und die gesetzliche Ausgestaltung der Verwaltung, des Gerichtswesens sowie die allgemeine Anpassung des Rechts an die neue Verfassung von 1921. Zusammen mit Wilhelm Beck und Emil Beck realisierte Schädler u.a. das Gesetz über die allgemeine Landesverwaltungspflege (1922), das Gesetz betreffend die Ausübung der politischen Volksrechte in Landesangelegenheiten (1922), das Steuergesetz (1923), das Sachenrecht (1923), die Rechtssicherungsordnung (1923), das Gesetz zum Staatsgerichtshof (1925), das Personen- und Gesellschaftsrecht (1926) und das Gesetz betreffend Treuunternehmen (1928). 1924 erfolgte die Einführung der Frankenwährung und 1925 der Bau des Lawenawerks. Nach dem Rheineinbruch (1927), der die wirtschaftliche Erholungsphase nach dem Ersten Weltkrieg zunichte machte, sammelte Schädler als Präsident des Hilfskomitees mit Unterstützung eines Teils der Schweizer Presse grosse Geldspenden. Der Sparkassaskandal führte zu seinem Sturz und zur Niederlage der Volkspartei in den Wahlen vom Juli 1928. Schädler und die ganze Regierung demissionierten am 15.6.1928 auf ausdrückliches Geheiss des Fürsten. 1931 wurde gegen Schädler beim Staatsgerichtshof eine Ministeranklage wegen Verletzung der Aufsichts- und der Amtspflichten bei der Verwaltung der Sparkassa erhoben. Er wurde jedoch freigesprochen, teils wegen Verjährung, teils weil die Pflichtverletzung nicht grobfahrlässig war.
Schädler hatte eine liberale politische Grundhaltung, was sich auch in einer gewissen Reserve zur katholischen Kirche zeigte. Er übte sein Regierungsamt mit dem Ziel der wirtschaftlichen und kulturellen Bindung an die Schweiz und der wirtschaftlichen Sanierung des Staats aus. Letzteres gelang nur zum Teil, zudem befand sich Liechtenstein in ständiger Finanznot.
1939–45 war Schädler Mitglied des Landesschulrats. Er hielt stets enge Verbindung zur schweizerischen Presse, besonders zur «Neuen Zürcher Zeitung», für die er als Korrespondent tätig war. Auf diese Weise gelang es ihm, die Perspektive seiner Partei in der liberalen Schweizer Presse zur Geltung zu bringen. Der zudem für die VP-Presse schreibende Schädler war 1943–44 zusammen mit Otto Schaedler Redaktor des «Liechtensteiner Vaterlands». Weil er im Zweiten Weltkrieg für deutsche Stellen eine Reihe von Artikeln über die Schweiz verfasst hatte, vermeintlich für deutsche Presseorgane, in Wirklichkeit von Geheimdienststellen genutzt, wurde er 1946 vom Liechtensteinischen Obergericht wegen verbotenen Nachrichtendiensts zu sechs Monaten Haft verurteilt. Schädler, der zumindest unbedacht gehandelt hatte und die Strafe aus gesundheitlichen Gründen nicht antreten musste, sowie seine Partei, die VU, empfanden das Urteil als ungerecht und als politische Abrechnung. Ehrungen: 1920 wurde ihm von Fürst Johann II. der Titel Professor verliehen, 1939 wurde er zum Fürstlichen Studienrat ernannt.
Literatur
- Rupert Quaderer-Vogt: Bewegte Zeiten in Liechtenstein 1914 bis 1926, 3 Bände, Vaduz/Zürich 2014.
- Peter Geiger: Kriegszeit. Liechtenstein 1939 bis 1945, 2 Bände, Vaduz/Zürich 2010.
- Peter Geiger: Krisenzeit. Liechtenstein in den Dreissigerjahren 1928–1939, 2 Bände, Vaduz/Zürich 1997, 22000.
- Die Schlossabmachungen vom September 1920. Studien und Quellen zur politischen Geschichte des Fürstentums Liechtenstein im frühen 20. Jahrhundert, hg. von der Vaterländischen Union, Redaktion: Arthur Brunhart, Vaduz 1996.
- Paul Vogt: 125 Jahre Landtag, hg. vom Landtag des Fürstentums Liechtenstein, Vaduz 1987, 21988.
- Engelbert Bucher: Familienchronik der Walsergemeinde Triesenberg 1650–1984, Bd. 9, Triesenberg 1986, S. 186, 207.
Nachrufe
- Liechtensteiner Vaterland, 24.6.1961, S. 1.
- Liechtensteiner Vaterland, 21.6.1961, S. 1.
Normdaten
GND: 1067744916
Zitierweise
<<Autor>>, «Schädler, Gustav», Stand: 31.12.2011, in: Historisches Lexikon des Fürstentums Liechtenstein online (eHLFL), URL: <<URL>>, abgerufen am 8.2.2025.