Schlossabmachungen (Septemberabmachungen, Schloss-Protokoll)

Autor: Rupert Quaderer | Stand: 31.12.2011

Die nach dem Verhandlungsort, dem Absteigequartier bei Schloss Vaduz, benannten Schlossabmachungen vom 15.9.1920 stellen eine entscheidende Zäsur in der heftigen Auseinandersetzung um die Revision der liechtensteinischen Verfassung dar. Sie waren das Ergebnis der vom 10.–15.9.1920 zwischen Fürst Johann II., Josef Peer und dem fürstlichen Kabinettsrat Josef Martin einerseits und der durch Wilhelm Beck, Gustav Schädler und Anton Walser vertretenen Volkspartei (VP) andererseits geführten Schlossverhandlungen; ab dem 6. September hatten Vorgespräche zwischen Beck und Martin stattgefunden. Vertreter der Bürgerpartei (FBP) wurden am 11. September über den Gang der Verhandlungen informiert. Die VP erklärte sich in den Schlossabmachungen damit einverstanden, dass der Österreicher Peer für sechs Monate als Landesverweser (Regierungschef) amtierte und in dieser Zeit u.a. einen auf den Schlossabmachungen beruhenden Verfassungsentwurf vorlegen musste. Inhaltlich setzte die VP ihre Forderungen weitgehend durch, indem die Schlossabmachungen die folgenden Grundzüge einer neuen Verfassung festlegten: konstitutionelle Monarchie auf parlamentarischer und demokratischer Grundlage, Verankerung der Staatsgewalt in Fürst und Volk, Ernennung der Regierung durch den Fürsten einvernehmlich mit dem Landtag über dessen Vorschlag, Verantwortlichkeit der Regierung gegenüber der Volksvertretung. Ausserdem hatte der Landtag künftig nur mehr aus vom Volk gewählten Abgeordneten zu bestehen und die Bürger erhielten das Recht auf Initiative und Referendum auf Gesetzes- und Verfassungsebene. Als Regierungschef kam fortan nur ein gebürtiger Liechtensteiner in Betracht. Es waren sämtliche Verwaltungs- und Justizbehörden mit Ausnahme des obersten Gerichtshofs in Zivil- und Strafrechtsachen ins Land zu verlegen und ein Staatsgerichtshof als Gerichtshof des öffentlichen Rechts zu schaffen. Die Schlossabmachungen bildeten die Grundlage für den von Peer ausgearbeiteten und vom Landtag weitgehend übernommenen Verfassungsentwurf vom März 1921 und damit der Verfassung von 1921. Im Rahmen der Verhandlungen vereinbarten VP und FBP am 15. September auf Druck der VP einen Wechsel in der Regierung: Johann Wanger (FBP) trat zugunsten Wilhelm Becks als Regierungsrat zurück.

Literatur

Von der Redaktion nachträglich ergänzt

Zitierweise

<<Autor>>, «Schlossabmachungen (Septemberabmachungen, Schloss-Protokoll)», Stand: 31.12.2011, in: Historisches Lexikon des Fürstentums Liechtenstein online (eHLFL), URL: <<URL>>, abgerufen am 6.2.2025.

Medien

Blatt aus dem Schloss-Protokoll, 15.9.1920 (Parteiarchiv VU).