
Schrift
Autor: Heinz Dopsch | Stand: 31.12.2011
Schrift ist ein vereinbartes Zeichen- und Kommunikationssystem, das der Mitteilung und Tradierung sprachlicher Information dient. Die Kelten als erstes nachweislich schriftkundiges Volk im Alpenraum verwendeten das griechische Alphabet und dessen italische Ableitungen. In römischer Zeit fand für Inschriften eine regelmässige lateinische Majuskelschrift (Capitalis) Verwendung, vergleichbar der heutigen Blockschrift (Versalien). Als Buchschrift wurde sie in der Spätantike zunächst von der Unziale (Rundschrift) abgelöst und dann von der Halbunziale, der ersten Buchminuskel, die bis über das 8. Jahrhundert hinaus in Verwendung blieb. Im Bereich von Verwaltung und Wirtschaft fanden Kursivschriften Verwendung, bei denen die Verbindung der einzelnen Buchstaben durch Ligaturen ein rasches Schreiben ermöglichte. Im Gegensatz zur älteren römischen Kursive als Majuskelschrift erfolgte mit der jüngeren römischen Kursive seit dem 3. Jahrhundert n.Chr. der Übergang zu den Minuskelschriften mit ausgeprägten Ober- und Unterlängen, welche die Verwendung von Ligaturen (Buchstabenverbindungen) erleichtern.
Das Ende der römischen Herrschaft im 5. Jahrhundert brachte einen enormen Rückgang der Schriftlichkeit, die zum Grossteil dem Klerus vorbehalten blieb. In Churrätien konnte sich die spätantike Schrifttradition unter den Viktoriden bis zur Eingliederung ins Frankenreich im Jahr 806 behaupten. Die churrätische und die alamannische Minuskel, die sich an den dominierenden Skriptorien von Chur und St. Gallen entwickelten, zählten zu den «Nationalschriften» des Frühmittelalters. Auch nach der Ablösung der rätischen Schrift durch die karolingische Minuskel als «Einheitsschrift» des Frankenreichs im 9. Jahrhundert bestand in St. Gallen ein charakteristischer Schriftstil, der bis tief nach Bayern nachgeahmt wurde. Seit dem 13. Jahrhundert setzte sich auch in Rätien die gotische Minuskel mit ihren typischen gebrochenen Formen durch und mit der gotischen Kursive fand erstmals nach sechs Jahrhunderten wieder eine Kursivschrift Verwendung.
Mit dem Buchdruck verloren die Buchschriften ab der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts ihre Rolle als normierender Faktor. Als Handschriften in Kanzlei, Geschäft und für den privaten Gebrauch dominierten Kursivschriften. Texte in «deutscher Schrift» (Fraktur), die auf den Formen der spätmittelalterlichen gotischen Schrift beruhten, wurden im 16. Jahrhundert häufig in der humanistischen «lateinischen Schrift» geschrieben und gedruckt. Im Gegensatz zu den oft schwer lesbaren, individuell gestalteten Schriften des 16. Jahrhunderts brachte die Aufklärung im 18. Jahrhundert gestreckte, klare und eher nüchterne Schriften. Die Ablösung des bis ins 19. Jahrhundert üblichen Gänsekiels durch die Stahlfeder, mit der man feiner schreiben konnte, führte zu dünnen und disziplinierten Schriftformen. Im Alltagsgebrauch dominierte bis ins 20. Jahrhundert die Kurrentschrift mit vielen Spitzen, scharfen Ecken und einer Rechtsneigung; sie war im 17./18. Jahrhundert aus der älteren Kursivschrift hervorgegangen. Die sogenannte lateinische Schrift (als Drucktype Antiqua) wurde nur gebraucht, um Eigennamen, Fremdwörter und fremdsprachige Zitate wiederzugeben.
An den liechtensteinischen Schulen wurde seit dem frühen 20. Jahrhundert neben der deutschen Kurrentschrift auch die lateinische Schrift gelehrt, die u.a. durch den Zollvertrag mit der Schweiz (1923) weiter an Bedeutung gewann. Die Schulkonferenz beschloss 1935, ganz auf sie umzustellen. Wie in der Schweiz verschwand in Liechtenstein das scharfe S (ß) in der Zwischenkriegszeit aus den Handschriften, später auch aus den Druckwerken. Die liechtensteinischen Zeitungen wechselten 1949 («Vaterland») bzw. 1952 («Volksblatt») von der deutschen Frakturschrift auf die lateinische Antiqua. 1962 wurde an den liechtensteinischen Volksschulen die Schweizer Schulschrift anstelle des württembergischen Alphabets eingeführt.
Seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gewann die Stenografie an Bedeutung; Probleme ergaben sich durch die verschiedenen Systeme (z.B. Gabelsberger in Österreich). Der zunehmende Einsatz der Schreibmaschine seit dem späten 19. Jahrhundert führte zum allmählichen Rückgang des Gebrauchs von Handschriften. Dieser Trend hat seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts durch den Einsatz des Personal Computers (PC) und des Notebooks eine enorme Beschleunigung erfahren.
Literatur
- Deutsche Schriftkunde der Neuzeit. Ein Übungsbuch mit Beispielen aus bayerischen Archiven, bearbeitet von Elisabeth Noichl und Christa Schmeisser, München 2006 (=Sonderveröffentlichungen der Staatlichen Archive Bayerns, Nr. 5).
- Mensch und Schrift im frühen Mittelalter, hg. von Peter Erhart et al., St. Gallen 2006.
- Urkundenlandschaft Rätien, hg. von Peter Erhart und Julia Kleindinst, Wien 2004 (=Forschungen zur Geschichte des Mittelalters, Bd. 7).
- Vom Nutzen des Schreibens. Soziales Gedächtnis, Herrschaft und Besitz im Mittelalter, hg. von Walter Pohl und Paul Herolf, Wien 2004 (=Forschungen zur Geschichte des Mittelalters, Bd. 5).
- Harald Haarmann: Universalgeschichte der Schrift, Frankfurt 21991 (Nachdruck 1998).
- Otto Mazal: Lehrbuch der Handschriftenkunde, Wiesbaden 1986.
- Bernhard Bischoff: Paläographie des römischen Altertums und des abendländischen Mittelalters, Berlin 1979, 21986 (=Grundlagen der Germanistik, Bd. 24).
- Scriptoria Medii Aevi Helvetica. Denkmäler schweizerischer Schreibkunst des Mittelalters, hg. von und bearbeitet von Albert Bruckner, 14 Bände, Genf 1935–1978.
- Adulf Peter Goop: Liechtenstein gestern und heute, Vaduz 1973, S. 63, 93, 135, 200, 290.
Zitierweise
<<Autor>>, «Schrift», Stand: 31.12.2011, in: Historisches Lexikon des Fürstentums Liechtenstein online (eHLFL), URL: <<URL>>, abgerufen am 8.2.2025.