Schwabenkrieg

Autor: Claudius Gurt | Stand: 31.12.2011

In dem von Januar bis September 1499 dauernden Schwaben- oder Schweizerkrieg standen sich die Schweizerische Eidgenossenschaft und die mit ihr verbündeten Drei Bünde einerseits und das Haus Habsburg-Österreich und der mit ihm verbündete Schwäbische Bund andererseits gegenüber. In dem das Gebiet Graubünden–Bodensee–Oberrhein/Jura erfassenden Schwabenkrieg überschnitten sich verschiedene Konflikte, die sich v.a. aus den umstrittenen Herrschaftsverhältnissen im östlichen Mittelland und in Graubünden und aus den ungeklärten Beziehungen der Eidgenossenschaft zum römisch-deutschen Reich ergaben.

Zahlreiche Scharmützel, Rache- und Raubzüge und einige grössere, von den Eidgenossen und Bündnern erfolgreich geschlagene Gefechte – am 20. Februar bei Hard westlich von Bregenz, am 22. März beim Bruderholz bei Basel, am 11. April bei Schwaderloh südlich von Konstanz, am 20. April bei Frastanz (Vorarlberg), am 22. Mai an der Calven im Münstertal (GR) und am 22. Juli bei Dornach – prägten den Kriegsverlauf, der jedoch ohne Entscheidungsschlacht blieb. Der am 22. September in Basel geschlossene Frieden brachte auf Seiten der Eidgenossen als territorialen Zugewinn das Landgericht im Thurgau, Österreich konnte seinen Bündner Besitz (die acht Gerichte des Zehngerichtenbunds) behaupten. Durch den Schwabenkrieg erfuhren der schwäbische und der eidgenössische Einflussbereich vom Oberrhein bis zum Bodensee und ins Rheintal eine deutliche Abgrenzung. Österreich schied weitgehend aus dem Gebiet der heutigen Schweiz aus und die Eidgenossenschaft erreichte an Rhein und Bodensee die Grenzen ihrer Expansionsmöglichkeiten. Eine Ablösung der Eidgenossenschaft vom Reich war im Schwabenkrieg weder beabsichtigt noch fand eine solche statt.

Vorgeschichte und Ursachen des Schwabenkriegs sind komplex: Mit dem 1488 gegründeten Schwäbischen Bund, der nebst den schwäbischen Städten fast den gesamten schwäbischen Adel umfasste, verfügte König Maximilian I. von Habsburg, der als Besitzer Tirols und der habsburgischen Vorlande selbst Mitglied des Schwäbischen Bunds war, über ein wirksames Instrument zur Durchsetzung seiner Politik im Südwesten des Reichs. Seine Doppelstellung als römischer König und – aufgrund des Besitzes der österreichischen Erblande – als Reichsstand mit eigenen, mit den Interessen der übrigen Reichsstände und des Reichs oft nicht zu vereinbarenden politischen Absichten, bot die Gelegenheit, reichspolitische und österreichische Interessen zu verbinden bzw. Erstere den Letzteren, falls opportun, vorzuschieben. Dies machte die so nötig gewordene Reichsreform – d.h. im Wesentlichen die Durchsetzung eines dauernden Landfriedens, die Schaffung eines Reichsgerichts mit einheitlicher Rechtsprechung sowie die Einführung einer allgemeinen Reichssteuer – schwierig. Die Eidgenossenschaft lehnte diese Reformen ab und begründete ihre Haltung mit dem in ihren Augen berechtigten Widerstand gegen Neuerungen, die ihre alten Rechte verletzten, indem sie klar den vom Reich verliehenen Privilegien – Befreiung von Reichsgerichten und -steuern – widersprachen. Maximilian zögerte denn auch nicht, am 22.4.1499 den Reichskrieg gegen die Eidgenossenschaft zu erklären, mit der von dieser nie akzeptierten Begründung, ihre Auflehnung gegen das Reich bestrafen zu wollen.

Zu diesem konfliktträchtigen Gegensatz tritt der für sich allein genommen wohl kaum kriegsauslösend wirkende regionale Konflikt um die unter tirolischer (habsburgischer) Herrschaft stehenden Churer Gotteshausleute im Unterengadin und im Vinschgau. Diese Spannungen verschärften sich durch die von den Drei Bünden mit immer grösserem Argwohn betrachtete Entwicklung in einem zweiten Gefahrenherd: Maximilian war als Nachfolger des Grafen von Tirol, Herzog Sigmund von Österreichs, in den Besitz des Schanfiggs und der sechs inneren Gerichte im Prättigau gelangt und kaufte 1496 von den Herren von Matsch die Gerichte Castels und Schiers dazu. 1497 wurde er durch den Kauf der Herrschaft Rhäzüns sogar zu einem der drei Hauptherren des Oberen Bunds. Die im Besitz der eng mit Österreich verbundenen Freiherren von Brandis stehende, strategisch wichtige Herrschaft Maienfeld rundete die Einflusssphäre Maximilians in diesem Gebiet ab.

Das Herrschaftsgebiet der Herren von Brandis befand sich in einer heiklen Grenzlage und war potenziell gefährdet durch ein komplexes Bündnis- und Beziehungsgeflecht. Beim Ausbruch des Schwabenkriegs sass Ludwig von Brandis auf Schloss Vaduz und besorgte von hier aus die Verwaltung seiner Herrschaften Vaduz, Schellenberg und Blumenegg. Er war Rat im österreichischen Dienst Maximilians, aber auch Burger der Stadt Bern, als Mitglied der Ritterschaft mit Sankt Jörgenschild gehörte er dem Schwäbischen Bund an und mit seinen unmittelbaren Herrschaften war er Teil des römisch-deutschen Reichs. Ludwigs Bruder, Sigmund II., versah auf Schloss Maienfeld die Regierungsgeschäfte in der gleichnamigen Herrschaft. Über das Gericht Maienfeld, das zum Zehngerichtenbund gehörte, waren die Brandiser seit 1452 auch indirekt mit dem Churer Gotteshausbund liiert. Auf die gleiche indirekte Weise betroffen waren sie durch den 1471 zwischen dem Zehngerichtenbund und dem Oberen Bund geschlossenen Vertrag, sodass die Brandiser mit zwei Bündnissen von 1475 (mit den Drei Bünden) und 1477 (mit dem Zehngerichtenbund) versuchten, nicht nur die Beziehung zwischen ihrer Herrschaft Maienfeld und diesen Bünden vertraglich klar zu regeln, sondern sich mit den vereinbarten gegenseitigen Beistandsverpflichtungen gegen jegliche Angriffe abzusichern, v.a. auch gegen österreichische Begehrlichkeiten auf die Herrschaft Maienfeld.

Der drohende Waffengang an der tirolisch-bündnerischen Grenze im Münstertal konnte Anfang Januar 1499 durch einen zwischen dem Churer Bischof und den Vertretern König Maximilians in Feldkirch ausgehandelten Waffenstillstand und den am 26. Januar geschlossenen Glurnser Vertrag (Verpflichtung zur Differenzbereinigung hinsichtlich der Churer Gotteshausleute im Vinschgau und Unterengadin auf dem Verhandlungswege) vorerst abgewendet werden. Am 4. Februar beschimpften jedoch die auf der österreichischen Burg Gutenberg bei Balzers stationierten schwäbischen Landsknechte die eidgenössischen Truppen, die jenseits des Rheins bei Azmoos und am Schollberg lagerten. Als Vergeltung unternahmen diese unter dem Urner Söldnerführer Heini Wolleb einen Streifzug über den Rhein und steckten in Balzers zwei Häuser in Brand. Nun war die Eskalation zum offenen Krieg nicht mehr aufzuhalten. Nachdem am 7. Februar schwäbische Landsknechte die auf der Sankt Luzisteig stationierten Bündner vertrieben und damit den strategisch wichtigen Übergang in das Gebiet der Herrschaft Maienfeld und der Drei Bünde in ihre Gewalt gebracht hatten, übernahmen die schwäbischen Bundestruppen mit einer in die Stadt Maienfeld gelegten Garnison die Kontrolle über dieses Einfallstor nach Graubünden. Die Rolle der Brandiser bei der Einnahme der Stadt wird aus der Quellenlage nicht klar ersichtlich. Nach der «Wiler Chronik» hätte ein Überfallkommando unter der Führung des ausgewiesenen österreichischen Parteigängers Hans Nigg von Brandis die Stadt durch «schändliche» List eingenommen, indem die schwäbischen Landsknechte ihre in roten Kreuzen bestehenden Erkennungszeichen mit weissen Kreuzen verdeckt hätten und daher für befreundete Eidgenossen gehalten und in die Stadt eingelassen worden seien. Nach den verlässlicheren «Acta des Tirolerkrieges» (→ Chroniken) dagegen sollen durch Verhandlung Ludwigs von Brandis mit seinem in Maienfeld regierenden Bruder Sigmund die Stadttore offen gewesen sein. Die kurz darauf erfolgte kampflose Rückgabe der Stadt an die heranrückenden Bündner und Eidgenossen lässt den schwäbischen Vorstoss nach Maienfeld indes eher als übereilte Einzelaktion denn als eine einem militärischen Gesamtkonzept folgende Strategie erscheinen. Die in der Stadt anwesenden Sigmund und Thüring von Brandis wurden gefangen genommen und zu ihrem Bruder, dem Dompropst Johannes, nach Chur gebracht, die schwäbischen Besatzungstruppen z.T. in die Eidgenossenschaft, z.T. nach Chur in die Gefangenschaft abgeführt.

Der von den bündnerischen und eidgenössischen Kriegsknechten über die St. Luzisteig und Balzers vorgetragene Gegenstoss führte am 12. Februar in Triesen zu den ersten grösseren Kampfhandlungen. Nachdem sich die schwäbischen Landsknechte nach der blutig geschlagenen Schlacht bei Triesen nach Feldkirch und Bregenz geflüchtet hatten, war das brandisische Land den Raubzügen der siegreichen Eidgenossen und Bündner schutzlos ausgeliefert; Vaduz und Schaan wurden geplündert, Bendern ging in Flammen auf. Das Schloss Vaduz wurde eingenommen und angezündet und Ludwig von Brandis in die Gefangenschaft nach Luzern verbracht. Bern setzte sich für eine gerechte Behandlung ihres Burgers ein und erreichte trotz dessen an der Zürcher Tagsatzung vom 23. Juli erfolgten Verurteilung, dass man ihm ein gütliches Übereinkommen in Aussicht stellte, falls er sich der Eidgenossenschaftauf Gnaden ergebe, was er auch tat. Die endgültige Freilassung zog sich bis in den Herbst 1499 hin, obwohl sich die Kriegsparteien am 22. September im Frieden von Basel auf die Rückgabe der eroberten Gebiete geeinigt hatten. Erst am 13.12.1499 wurde dem Vertreter Ludwigs, Jakob Zwingger von Bischofszell, auf der Tagsatzung in Frauenfeld die Grafschaft Vaduz zuhanden seines Herrn übergeben. Die Untertanen wurden verpflichtet, dem Brandiser erneut zu huldigen, nachdem sie aus ihren den Eidgenossen geleisteten Eiden entlassen worden waren. Auch der in Chur inhaftierte Sigmund II. von Brandis und sein Bruder Thüring wurden von den Bündnern in die Freiheit entlassen und wieder in die Rechte ihrer Herrschaft Maienfeld eingesetzt. Waren die Herren von Brandis zu Beginn des Schwabenkriegs noch auf einem Höhepunkt ihrer Machtstellung, führte der Krieg zu ihrem schnellen und tiefen Fall und nach der ungewissen Zeit der Gefangenschaft schliesslich zur Wiedereinsetzung in ihre Herrschaftsrechte von eidgenössischen und bündnerischen Gnaden.

Quellen

Literatur

  • Bernhard Stettler: Die Eidgenossenschaft im 15. Jahrhundert. Die Suche nach einem gemeinsamen Nenner, Zürich 2004.
  • Alois Niederstätter: Der «Schweizer-» oder «Schwabenkrieg» von 1499. Ursachen, Verlauf und Auswirkungen, in: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein, Bd. 99 (2000), S. 139–158.
  • Freiheit einst und heute. Gedenkschrift zum Calvengeschehen 1499-1999, hg. von Walter Lietha, Redaktion: Martin Bundi, Chur 1999.
  • Gedenkschrift 500 Jahre Schlacht bei Dornach 1499–1999, Solothurn 1999 (=Jahrbuch für solothurnische Geschichte, Bd. 72).
  • Horst Carl: Eidgenossen und Schwäbischer Bund – feindliche Nachbarn?, in: Die Eidgenossen und ihre Nachbarn im Deutschen Reich des Mittelalters, hg. von Peter Rück, Marburg an der Lahn 1991, S. 215–265.
  • Peter Kaiser: Geschichte des Fürstenthums Liechtenstein. Nebst Schilderungen aus Chur-Rätien‘s Vorzeit, Chur 1847, neu hg. von Arthur Brunhart, Bd. 1, Vaduz 1989, S. 300–332.

Von der Redaktion nachträglich ergänzt

Zitierweise

<<Autor>>, «Schwabenkrieg», Stand: 31.12.2011, in: Historisches Lexikon des Fürstentums Liechtenstein online (eHLFL), URL: <<URL>>, abgerufen am 10.2.2025.

Medien

Schwabenkrieg-Karte des Meisters PPW, 1502–1505 (Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg). Der Schweizer- oder Schwabenkrieg ereignete sich zwischen Graubünden und dem Rheinknie bei Basel. Diese Gesamtübersicht zeigt die einzelnen Kriegszüge. Im Vordergrund der Bodensee, links oben brennt «Fudutz» (Vaduz).