
Souveränität
Autorin: Brigitte Mazohl | Stand: 31.12.2011
Die von Jean Bodin (um 1530–1596) und Thomas Hobbes (1588–1679) theoretisch auf den Punkt gebrachte Souveränität bedeutete zunächst im politischen Denken des 18. Jahrhunderts die uneingeschränkte Handlungsfreiheit und Unabhängigkeit des Monarchen nach innen und aussen, d.h. Gesetzgebungskompetenz, höchste richterliche Gewalt, Bündnisrecht zwischen Einzelstaaten und Entscheidungsgewalt über Krieg und Frieden. Im Zug der Französischen Revolution und der auf sie folgenden Neuordnung der europäischen Staatenwelt wurde der Begriff Souveränität vom Monarchen auf das «Volk» übertragen und als «Volkssouveränität» der Souveränität des Monarchen an die Seite gestellt bzw. an ihre Stelle gesetzt. Die Verfassungsentwicklungen des 19. Jahrhunderts gründeten auf dem Kampf um die Souveränität (zwischen Krone, Volk, Nation), wobei die konstitutionelle Monarchie in den meisten europäischen Staaten die Kompromissformel der doppelten oder geteilten Souveränität darstellte.
In dem bis 1806 bestehenden Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation gab es keine staatliche Souveränität: Weder der Kaiser noch die Reichsstände waren Souveräne im modernen Sinn, da die reichsrechtliche Landeshoheit der Reichsstände durch den Kaiser, dieser aber durch die Reichsstände gebunden war.
Die Souveränitätserklärung der im Rheinbund zusammengeschlossenen Staaten brachte für das Fürstentum Liechtenstein 1806 erstmals die staatsrechtliche Souveränität. Durch die Aufnahme in den Deutschen Bund 1815 wurde Liechtensteins Souveränität bestätigt. Die Deutsche Bundesakte sah freilich keine klare verfassungsrechtliche Kompetenzverteilung zwischen dem «Bund» und den Einzelstaaten (nach aussen) bzw. zwischen Monarchen und Volk (nach innen) vor. Dank geschickter Ausnutzung der Beziehungen zum österreichischen Kaiserhaus konnte die liechtensteinische Souveränität über das Ende des Deutschen Bunds (1866) hinaus behauptet werden.
Auch wenn Liechtenstein Hoheitsrechte in bilateralen Verträgen mit Österreich und der Schweiz auf andere Staaten übertrug, konnte es seine völkerrechtliche Stellung und damit seine Souveränität besonders in neuerer Zeit durch seinen Beitritt zu internationalen Abkommen und Organisationen (u.a. Europarat, UNO, EWR) stärken. Dabei ist nicht zu übersehen, dass auf dem Hintergrund der europäischen Integration mit der zunehmenden Bedeutung von supranationalen Entscheidungsinstanzen die traditionellen Begriffe der Staatlichkeit und der Souveränität eine Veränderung erfahren haben.
Literatur
- Nicolai Rosin: Souveränität zwischen Macht und Recht. Probleme der Lehren politischer Souveränität in der frühen Neuzeit am Beispiel von Machiavelli, Bodin und Hobbes, Hamburg 2003 (=Schriften zur Rechts- und Staatsphilosophie, Bd. 2).
- Brigitte Mazohl-Wallnig: Sonderfall Liechtenstein – Die Souveränität des Fürstentums Liechtenstein zwischen Heiligem Römischen Reich und Deutschem Bund, in: Bausteine zur liechtensteinischen Geschichte. Studien und studentische Forschungsbeiträge, hg. von Arthur Brunhart, Bd. 3: 19. Jahrhundert: Modellfall Liechtenstein, Zürich 1999, S. 7–42.
- Hans Boldt: Souveränität bis zum 18. Jahrhundert, in: Geschichtliche Grundbegriffe. Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland, hg. von Otto Brunner, Werner Conze und Reinhart Koselleck, Bd. 6 (1990), S. 98–153.
- Helmut Quaritisch: Souveränität. Entstehung und Entwicklung des Begriffs in Frankreich und Deutschland vom 13. Jh. bis 1806, Berlin 1986 (=Schriften zur Verfassungsgeschichte, Bd. 38).
- Georg Malin: Bemerkungen zu 150 Jahre Liechtensteinische Aussenpolitik, in: Beiträge zur liechtensteinischen Staatspolitik, hg. zum 50jährigen Bestehen des liechtensteinisch-schweizerischen Zollvertrags, Vaduz 1973 (= Liechtenstein Politische Schriften, Bd. 2), S. 49–55.
- Gerard Batliner: Die völkerrechtlichen und politischen Beziehungen zwischen dem Fürstentum Liechtenstein und der Schweizerischen Eidgenossenschaft, in: Beiträge zur liechtensteinischen Staatspolitik, hg. zum 50jährigen Bestehen des liechtensteinisch-schweizerischen Zollvertrags, Vaduz 1973 (= Liechtenstein Politische Schriften, Bd. 2), S. 21–48.
- Rupert Quaderer: Souveränität und Aussenpolitik des Fürstentums Liechtenstein in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, in: Fragen an Liechtenstein. Vorträge, Vaduz 1972 (=Liechtenstein Politische Schriften, Bd. 1), S. 63–68.
- Georg Malin: Die Souveränität Liechtensteins, in: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein, Bd. 55 (1955), S. 5–22.
Von der Redaktion nachträglich ergänzt
- Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein, Bd. 105 (2006), S. 1–237 [Themenschwerpunkt «Souveränität»].
- Das Fürstentum Liechtenstein 1806 2006, hg. vom Organisationskomitee 200 Jahre Souveränität 1806–2006, Redaktion: Arthur Brunhart, Werner Ospelt, Vaduz 2006.
Zitierweise
<<Autor>>, «Souveränität», Stand: 31.12.2011, in: Historisches Lexikon des Fürstentums Liechtenstein online (eHLFL), URL: <<URL>>, abgerufen am 15.2.2025.