
Spolienrecht
Autor: Heinz Dopsch | Stand: 31.12.2011
Als Spolienrecht (ius spolii) bezeichnet man den Anspruch von weltlichen oder geistlichen Oberen (Kaiser, König, Papst, Metropolit, Bischof usw.) auf den Nachlass von Klerikern. Nach römischem Recht hatte die Kirche zumindest auf einen Teil des Erbes Anspruch, bei Eigenkirchen beanspruchte der geistliche oder weltliche Herr den beweglichen Nachlass des (oft unfreien) Geistlichen. Grundlage dafür war die Annahme, dass der Geistliche kein freies Testierrecht (Recht auf Testamentserrichtung) besass und nur über sein Patrimonialvermögen, aber nicht über die Benefizialeinkünfte verfügen konnte. Während die römischen Kaiser und deutschen Könige im 12./13. Jahrhundert auf das aus dem Eigenkirchenrecht erwachsene Spolienrecht verzichteten, übten es die deutschen Landesfürsten bis weit in die Neuzeit aus. Auch Äbte und Bischöfe handhabten gegenüber Prioren, Domherren und Pfarrern das Spolienrecht oder verlangten als Ersatz die Zahlung einer Geldsumme bei der Testamentserrichtung. Erst die Testierfreiheit für Geistliche seit dem Konzil von Trient (1545–63) machte den Weg zur Abschaffung des Spolienrechts frei.
In Liechtenstein nahmen v.a. die Inhaber des Patronats das Spolienrecht in Anspruch. So führte z.B. 1459 der Abt von Pfäfers als Patronatsherr von Eschen einen erfolgreichen Prozess um den Nachlass von Pfarrer Kaspar Amann gegen dessen Verwandte. Noch 1694 anerkannte der Eschner Pfarrer das Spolienrecht des Abts von Pfäfers ausdrücklich; 1710 konnte er durch «Auskauf» den Verzicht des Abts auf das Spolienrecht erwirken. Der Pfarrer von Triesen erreichte 1620 vom Grafen von Hohenems als Inhaber des Kirchenpatronats gegen die Übernahme eines Jahrtags Testierfreiheit. Noch im 19. Jahrhundert wurde bei der Errichtung der Pfarrei Vaduz ausdrücklich festgehalten, dass der Pfarrer keinem Spolienrecht unterworfen sei.
Literatur
- Thomas Willich: Quellen zur spätmittelalterlichen Geschichte Liechtensteiner Kirchen und Kapellen aus dem Repertorium Germanicum (1378–1464), in: Bausteine zur liechtensteinischen Geschichte. Studien und studentische Forschungsbeiträge, hg. von Arthur Brunhart, Bd. 2: Neuzeit. Land und Leute, Zürich 1999, S. 69–102.
- Richard Puza: Spolienrecht, in: Lexikon des Mittelalters, Bd. 7 (1995), Sp. 2131f.
- Arthur Brunhart: Triesner und allgemeine Pfarreigeschichte. Ein Überblick in Schlagworten, in: Bilder aus der Pfarrei Triesen. Festschrift zur Einweihung der renovierten und erweiterten Pfarrkirche St. Gallus am 9. Oktober 1994, hg. von der Gemeinde Triesen, Redaktion: Toni Banzer, Triesen 1994, S. 9–38, besonders 17.
- Hans-Jürgen Becker: Spolienrecht, in: Handwörterbuch zur Deutschen Rechtsgeschichte, Bd. 4 (1990), Sp. 1779f.
- Wolfgang Müller: Zur Kirchen- und Pfarreigeschichte, in: Das Fürstentum Liechtenstein. Ein landeskundliches Portrait, hg. von Wolfgang Müller, Bühl/Baden 1981, S. 33–62, besonders 46f.
- Johannes Kaps: Das Testamentsrecht der Weltgeistlichen und Ordenspersonen in Rechtsgeschichte, Kirchenrecht und bürgerlichem Recht Deutschlands, Österreichs und der Schweiz, Buchenhain 1958.
Zitierweise
<<Autor>>, «Spolienrecht», Stand: 31.12.2011, in: Historisches Lexikon des Fürstentums Liechtenstein online (eHLFL), URL: <<URL>>, abgerufen am 7.2.2025.