
Ständestaat
Autor: Klaus Biedermann | Stand: 31.12.2011
Als Ständestaat gilt ein Staatswesen, in dem bestimmte Personenverbände (Stände) durch ihre Vertretungen an den Staatsgeschäften beteiligt sind, wie dies bis 1806 im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation durch den Reichstag der Fall war (Geburtsstände). Auch Liechtenstein trug unter der Landammannverfassung (bis 1808) und – nur formal – unter der landständischen Verfassung (1818–62) Züge eines Ständestaats.
Im 19. Jahrhundert wurde die Ständestaats-Idee u.a. vom katholischen Sozialpolitiker Karl von Vogelsang aufgenommen: Eine berufsständische Ordnung sollte die Klassengesellschaft ersetzen. Seine antikapitalistische und antiliberale Ideologie fand sich 1931 in der Sozialenzyklika «Quadragesimo Anno» von Papst Pius XI. wieder. Anstatt des «freien Wettbewerbs der Kräfte» empfahl sie den Ständestaat als dritten Weg zwischen Kapitalismus und Sozialismus. In Österreich prägte das ständestaatliche Ideal die unter Bundeskanzler Engelbert Dollfuss (1892–1934) geschaffene Verfassung von 1934.
In Anlehnung an das österreichische Beispiel wurde der Ständestaat in Liechtenstein 1933–35 vom Liechtensteiner Heimatdienst (LHD) und dessen gleichnamiger Zeitung propagiert: Alle Bürger sollten einer Berufsgruppe zugeteilt werden und die einzelnen Berufe Kammern, sogenannte Stände, bilden. Jede Gemeinde sollte ihre Gemeindekammer haben und aus dieser ihre Vertreter in die den Landtag ersetzende «Ständekammer» entsenden. Sozialpolitische Forderungen paarten sich mit Ausländerfeindlichkeit: Der Schutz des einheimischen Arbeiters stand im Vordergrund. Die 1935 zusammen mit der Volkspartei lancierte Initiative für ein Proporzwahlrecht beinhaltete nebenbei die LHD-Forderung einer ständestaatlichen Ordnung. Sie wurde am 31.5.1935 vom Volk mit 52,7 % Neinstimmen abgelehnt.
Literatur
- Peter Geiger: Krisenzeit. Liechtenstein in den Dreissigerjahren 1928–1939, Bd. 1, Vaduz/Zürich 1997, 22000, S. 365–424.
Von der Redaktion nachträglich ergänzt
- Klaus Biedermann: Der Liechtensteiner Heimatdienst. 1933–1935. Drei Jahre Kampf gegen den Parteienstaat für eine berufsständische Ordnung, Seminar-Arbeit Universität Bern, 1991.
Zitierweise
<<Autor>>, «Ständestaat», Stand: 31.12.2011, in: Historisches Lexikon des Fürstentums Liechtenstein online (eHLFL), URL: <<URL>>, abgerufen am 15.2.2025.