
Staatsverträge
Autor: Roland Marxer | Stand: 31.12.2011
Staatsverträge sind zwischen zwei oder mehreren souveränen Staaten abgeschlossene völkerrechtliche Vereinbarungen. Ein Kleinstaat wie Liechtenstein, dem die politischen und militärischen Machtmittel zur Durchsetzung seiner Interessen fehlen, ist in erhöhtem Mass darauf angewiesen, dass internationales Recht gilt und angewendet wird. Rechtlich nicht geregelte Bereiche der zwischenstaatlichen Zusammenarbeit bergen das Risiko von Konflikten, in denen der kleinere Partner kaum die Möglichkeit hat, seine Interessen durchzusetzen. Die vertragliche Absicherung zwischenstaatlicher Beziehungen ist daher für den Kleinstaat von besonderer Bedeutung, zumal für die Bewahrung seiner Unabhängigkeit in gesicherten Grenzen.
Vor diesem Hintergrund ist es seit der Erlangung der Souveränität durch die Mitgliedschaft im Rheinbund 1806 eine Konstante der liechtensteinischen Aussenpolitik, den Entwicklungen des Völkerrechts folgend Vertragspartei von internationalen Übereinkommen und Mitglied Internationaler Organisationen zu werden. 1815 unterzeichnete Liechtenstein die Bundesakte des Deutschen Bunds. Bilaterale Staatsverträge des 19. Jahrhunderts betrafen etwa das Militär, das Zoll- und das Münzwesen, die Salzlieferung und die Korrektion des Rheins. Im 20. Jahrhundert kamen dazu bi- und multilaterale Übereinkommen u.a. in den Bereichen Post, Telekommunikation, Wirtschaft, Finanzen, Zivilrechtspflege, Rechtshilfe, Grenzen, Schulwesen, Wissenschaft, Kultur, Abrüstung, Umwelt, Verkehr, Gesundheitswesen, Arbeit, Soziale Sicherheit und Sozialversicherungen oder Menschenrechte. Neben der Wahrnehmung der eigenen souveränitäts- und staatspolitischen Interessen stand besonders seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts die solidarische Teilnahme an Anstrengungen der internationalen Staatengemeinschaft zur Bewältigung globaler Probleme im Vordergrund. 1990 trat Liechtenstein dem Wiener Übereinkommen vom 23.5.1969 über das Recht der Verträge bei.
Grosse Bedeutung kam besonders den Handelsverträgen zu, weil sie die Einbindung des kleinen liechtensteinischen Binnenmarkts in grössere Wirtschafts- und Handelsräume ermöglichten. Der Zollvertrag mit Österreich aus dem Jahr 1852 wurde von Liechtenstein 1919 gekündigt. Aufgrund des am 29.3.1923 unterzeichneten Zollanschlussvertrags mit der Schweiz finden neben anwendbarem schweizerischem Recht alle von der Schweiz mit dritten Staaten abgeschlossenen Handels- und Zollverträge auf Liechtenstein Anwendung. 1990 wurde der Zollanschlussvertrag so angepasst, dass Liechtenstein selbst Vertragsstaat internationaler Übereinkommen im Deckungsbereich des Vertrags werden kann, sofern die Schweiz ebenfalls diesen Übereinkommen und Organisationen angehört. Durch eine weitere Änderung 1994 kann Liechtenstein solchen Übereinkommen und Organisationen auch dann beitreten, wenn die Schweiz dies unterlässt. Diese beiden Änderungen waren für den Beitritt Liechtensteins zur Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA) 1991 und zur Welthandelsorganisation (WTO) 1995 bzw. zum Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) 1995 notwendig.
Quellen
- Rechenschafts-Bericht der fürstlichen Regierung an den hohen Landtag 1922– (diverse Titelvarianten, seit 1999: Landtag, Regierung und Gerichte. Bericht des Landtages, Rechenschaftsbericht der Regierung an den Hohen Landtag, Berichte der Gerichte, Landesrechnung), Vaduz 1922–; online ab Jahrgang 2005.
- Systematische Sammlung der liechtensteinischen Rechtsvorschriften, Hg. Rechtsdienst der Regierung des Fürstentums Liechtenstein, 1979–.
Literatur
- Ziele und Prioritäten der liechtensteinischen Aussenpolitik, hg. von der Regierung des Fürstentums Liechtenstein, Vaduz 2008.
Zitierweise
<<Autor>>, «Staatsverträge», Stand: 31.12.2011, in: Historisches Lexikon des Fürstentums Liechtenstein online (eHLFL), URL: <<URL>>, abgerufen am 10.2.2025.