
Theater
Autor: Jürgen Schremser | Stand: 31.12.2011
Die darstellenden Künste auf kleiner und grosser Bühne haben sich in Liechtenstein seit dem späten 19. Jahrhundert entwickelt. Bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts waren Musik- und Sprechtheateraufführungen in Liechtenstein durch ortsgebundene Amateurtheaterpraxis bestimmt. Letztere spiegelt die historisch wandelbaren Geselligkeits-, Ausdrucks- und Reflexionsbedürfnisse einer dörflichen, katholisch geprägten Gesellschaft. Der Beginn des liechtensteinischen Theaters als Amateurtheater überschneidet sich mit der ersten bürgerlichen Verfassung in Liechtenstein: die 1862 gewährte Vereinsfreiheit führte zunächst in Triesen (1862), dann in Schaan (1884) zur Gründung einer jeweils örtlichen Theatergesellschaft. Dieser Neubeginn wurde von den Mitwirkenden in Triesen durchaus als befreiendes Gemeinschaftserlebnis verstanden. Bis zum Zweiten Weltkrieg blieben Ortsvereine und die katholische Kirche die wesentlichen Träger des liechtensteinischen (Amateur-)Theaters. Der insbesondere im Schulwesen bestimmende Klerus nutzte ab 1862 theatralische Formen zur religiösen und moralischen Unterrichtung. Weitreichenden Einfluss auf Spielweise und Stückauswahl nahmen Geistliche über die seit den 1930er Jahren landesweit verbreiteten katholischen Jugendverbände (→ Jungmannschaften, → Marianische Kongregationen).
Als dauerhaft erwies sich die Integration von Theateraufführungen in die örtliche Vereinskultur. Zu den ersten theaterspielenden Vereinen zählten im 19. Jahrhundert die Blasmusikkapellen von Eschen (1882) und Vaduz (1884). In Balzers wurden seit 1913 vom Männergesangverein und Sängerbund Lustspiele und Schicksalsdramen in volkstümlichem oder historischem Kolorit geboten. Seit den 1970er Jahren wurden zusehends mundartlich adaptierte Boulevard-Komödien und Schwänke zu beliebten Elementen der lokalen Vereinsunterhaltung. Ein diesbezüglicher «Volkstheaterboom», getragen v.a. durch die Ortsfeuerwehren, setzte in Liechtenstein nach 1980 ein.
Auf zahlreiche Laiendarsteller stützten sich auch jene Freilichtspiele, die im 20. Jahrhundert entweder als deutschtümelnde «Burgenspiele» oder als Gelegenheitsstücke zu Jubiläumsfeiern der Staatswerdung zur Aufführung gelangten.
Vereinzelt kam es zur Professionalisierung des liechtensteinischen Amateurtheaters. Aus örtlichen Vereinsbühnen entwickelten sich seit 1940 (Vaduz) bzw. 1946 (Balzers) künstlerisch ambitionierte Operettenaufführungen. Auch die Produktionen der 1998 gegründeten Liechtenstein Musical Company führen Laien und Professionelle zusammen. Im Rahmen der Jungmannschaft Schellenberg bestand 1948–68 ein in den Ausdrucksmitteln geschultes Amateurtheater mit anspruchsvoller Stückwahl (u.a. Max Frischs «Biedermann und die Brandstifter» 1965). Das 2001 ins Leben gerufene «Theater Karussell» setzt klassische und zeitgenössische Theaterstücke mit Laienschauspielern und professioneller Begleitung um. Praxisorientierte Theatervermittlung und -pädagogik etablierten sich in Liechtenstein ab 1980.
Theater als überregional wahrgenommene Kunstform mit eigener Spielstätte entstand in Liechtenstein erst ab 1970. Einer Bürgerinitiative für ein liechtensteinisches Kleintheater entwuchs 1970 das in Schaan etablierte Mehrspartenhaus Theater am Kirchplatz (TaK). Der kulturelle Boden war durch das Schellenberger Jungmannschaftstheater und das Kabarett Kaktus (1964–70) bereitet, dessen Haupttexter der erste TaK-Intendant Alois Büchel war. Der Initiative des LiGa (→ Kabarett) verdankt sich die 2003 in Vaduz eröffnete Kleinkunstbühne «Schlösslekeller».
Literatur
- Jürgen Schremser: Was wird hier gespielt? Zwei Exkurse zum «Volkstheater» in Liechtenstein, in: Volkstheater in der Schweiz und im Fürstentum Liechtenstein, hg. von Ernst Halter und Buschi Luginbühl, Zürich 2000, S. 209–216.
Medien

Zitierweise
<<Autor>>, «Theater», Stand: 31.12.2011, in: Historisches Lexikon des Fürstentums Liechtenstein online (eHLFL), URL: <<URL>>, abgerufen am 7.2.2025.