Tuberkulose

Autorin: Christine Cooper | Stand: 20.12.2024

Tuberkulose (Tbc, Tb) ist eine weltweit verbreitete Infektionskrankheit (→ Krankheit), welche die Menschheit seit ihren Anfängen begleitet. Die Weltgesundheitsorganisation schätzt, dass jedes Jahr ca. 10 Millionen Menschen durch eine Infektion erkranken und davon ca. 1.5 Millionen sterben, mehr als bei jeder anderen Infektionskrankheit. Sie wird im Menschen vom Bakterium Mycobacterium tuberculosis oder von Vertretern derselben Gattung (z.B. M. bovis, M. africanum, M. canettii, M. caprae, M. microti) verursacht. Kein anderes mikrobielles Pathogen dürfte in der Geschichte der Menschheit für mehr Todesfälle verantwortlich gewesen sein als M. tuberculosis. Neben Menschen können auch Wild- und Nutztiere erkranken, z.B. Rinder (M. bovis). Alte Bezeichnungen für die Krankheit sind unter anderem Schwindsucht oder Abzehrung.

Eine Ansteckung, meist durch Tröpfcheninfektion, führt nur bei 5–10% der Infizierten zu einer Erkrankung. Nicht pasteurisierte Milch von erkrankten Rindern stellt eine weitere Infektionsquelle dar. Die Krankheit verläuft meist schleichend und ist unbehandelt häufig tödlich. Müdigkeit, Schwäche, Abmagerung, leichtes Fieber und Husten sind Symptome der Primärtuberkulose («geschlossene Tuberkulose»). Durch weitere Zerstörung von Lungengewebe kommt es zum Anschluss der Entzündungsherde an die Atemwege, wodurch Erreger ausgehustet werden können. Dieses ansteckende Stadium wird als «offene Tuberkulose» bezeichnet. Bei einer Streuung der Erreger über die Blutbahn können Brustfell, Lymphknoten, Knochen, Gelenke, Verdauungstrakt, Haut und Geschlechtsorgane oder auch die Hirnhaut befallen werden.

Die bisher ältesten Nachweise aus Liechtenstein stammen von Skeletten aus verschiedenen frühmittelalterlichen Gräberfeldern (ab dem 5. Jahrhundert), die mutmasslich tuberkulosebedingte Veränderungen aufweisen. Mehrere Hinweise gibt es auch bei hoch- bis spätmittelalterlichen Individuen. Direkte Aussagen zur Häufigkeit von Tuberkulose lassen sich daraus aber nicht ableiten, weil nur ein geringer Anteil der Erkrankten Veränderungen an den Knochen entwickelt, welche zudem teilweise unspezifisch sind. Die Krankheit war wohl zu allen Zeiten recht verbreitet. Im 17. Jahrhundert begann die heftigste Tuberkulosewelle in Europa. Ab 1880 erreichte die Krankheit epidemische Ausmasse, besonders unter Armutsbetroffenen. Im 19. und frühen 20. Jahrhundert stellte sie in Liechtenstein die häufigste Todesursache dar. Zwischen 1831 und 1930 war sie für etwa 15% aller Todesfälle verantwortlich, am Höhepunkt der Epidemie zwischen 1880 und 1890 sogar für rund 20% (→ Tod).

Obwohl die Tuberkulose seit dem Altertum bekannt war, blieb die Ursache der Erkrankung unklar. Erst mit der Entdeckung des Erregers durch Robert Koch 1882 machten Diagnostik und prophylaktische Massnahmen Fortschritte. Ab dem Ende des 19. Jahrhunderts entstanden in den Berggebieten zahlreiche Sanatorien, in denen Liegekuren an der frischen Luft, moderate Bewegung und gesunde Ernährung Linderung bringen sollten. In Liechtenstein nahmen die «Molken- und Luftkuranstalten» auf Gaflei und Sücka in der Regel allerdings keine Tuberkulosekranken auf. Lungenheilstätten für Tuberkulosekranke gab es in den benachbarten Schweizer Kantonen etwa in Davos, Arosa und am Walenstadtberg sowie im österreichischen Vorarlberg in Bludesch/Schlins (Gaisbühel) (→ Gesundheitswesen). Ab 1931 enthielt das Landesbudget den Ausgabeposten «Tuberkulosefürsorge». In den Folgejahren nahm das Thema in den politischen Diskussionen zunehmenden Raum ein. 1941 wurden ein Gesetz sowie eine Verordnung erlassen, welche Massnahmen zur Tuberkulosebekämpfung und die Unterstützung von Erkrankten regelten. So wurde eine Meldepflicht eingeführt und die Institutionalisierung der Tuberkulosefürsorge durch die Tuberkulosekommission eingeleitet.

Die Krankheit war aber weiterhin unheilbar, bis 1943 mit Streptomycin ein erstes Antibiotikum zu ihrer Behandlung zur Verfügung stand. Von der Mitte des 20. Jahrhunderts an galt die Krankheit aufgrund der Verbesserung der Hygienebedingungen und der ökonomischen Situation der Bevölkerung sowie dank neuer Behandlungsmöglichkeiten als gebändigt. In Liechtenstein wurden seit 2011 jährlich zwischen null und drei Fälle gemeldet, meist bei Migrantinnen und Migranten aus Hochrisikoländern. Eine gegenwärtige Herausforderung ist allerdings die Zunahme multiresistenter Bakterienstämme. Rot- und Schwarzwild können Reservoire der Tuberkuloseerreger sein und zu Ansteckungen bei Rindern führen, weshalb seit 2014 das Rotwild auf Tuberkulose untersucht wird. Liechtenstein gilt als frei von Tuberkulose bei Nutz- und Wildtieren (2024).

Quellen

Literatur

Zitierweise

<<Autor>>, «Tuberkulose», Stand: 20.12.2024, in: Historisches Lexikon des Fürstentums Liechtenstein online (eHLFL), URL: <<URL>>, abgerufen am 10.2.2025.

Medien

Vermutlich tuberkulosebedingte Knochenauflösung an einem Lendenwirbel eines Mannes aus dem frühmittelalterlichen Gräberfeld auf dem «Runda Böchel» in Balzers (5.–10. Jahrhundert) (Amt für Kultur/Archäologie).
Anzeige im «Liechtensteiner Vaterland» für eine Informationsveranstaltungsreihe zur Tuberkulosebekämpfung, 21. März 1942.