
Vogt, Alois
Autor: Jürgen Schremser | Stand: 31.12.2011
Landtagsabgeordneter und Regierungschef-Stellvertreter. *19.7.1906 Balzers, †23.3.1988 Vaduz, von Balzers, ab 1933 wohnhaft in Vaduz. Sohn des Landwirts Josef Kaspar und der Magdalena Theresia geb. Gstöhl, drei Brüder, zwei Schwestern. ⚭ 9.10.1948 Beate Hussak (*26.5.1924), sechs Kinder.
Primarschule Balzers, Realschule Vaduz, 1921–28 Gymnasium Mehrerau (Bregenz). 1928–33 Studium der Rechtswissenschaften in Innsbruck, Freiburg i.Üe. und Wien, 1933 Dr. iur. und Eröffnung einer Rechtsanwaltskanzlei in Vaduz.
Vogt war früh parteipolitisch aktiv. 1925 zählte er als Gymnasiast zu den Gründungsmitgliedern der Liechtensteinischen Akademischen Verbindung Rheinmark. Am 1.10.1933 war er Mitbegründer des autoritär und ständestaatlich orientierten Liechtensteiner Heimatdienstes (LHD) und in dessen Landesleitung vertreten. Vogt gehörte zu den Gründern der auf den Jahreswechsel 1935/36 durch Zusammenschluss des LHD mit der Christlich-sozialen Volkspartei (VP) entstandenen Vaterländischen Union (VU). Er war 1936–40 als Parteisekretär in deren Landesleitung vertreten und leitete nach dem Weggang des Chefredaktors Carl von Vogelsang zeitweise das Parteiorgan «Liechtensteiner Vaterland» (Januar 1937 bis März 1938). Am 30.3.1938 wurde Vogt zum Regierungschef-Stellvertreter der neu gebildeten Koalitionsregierung von FBP und VU ernannt und verblieb in dieser Funktion bis im September 1945. Er war in der Regierung für das Ressort «Wirtschaft» zuständig.
Vogt war ab 1945 in zahlreichen öffentlichen Funktionen tätig: 1945–50 Mitglied des Landesschulrats, 1949–66 Landtagsabgeordneter, 1958–63 Landtagsvizepräsident, zeitweilig Mitglied der Finanz- und der Geschäftsprüfungskommission sowie des Landesausschusses. 1962–65 Regierungsrat, 1947–53 Vizepräsident des Verwaltungsrats der LKW, 1950–54 Aufsichtsrat der Liechtensteinischen Landesbank, 1953–64 Verwaltungsratspräsident der AHV sowie 1969–74 Vizepräsident des Staatsgerichtshofs. 1968–70 Präsident der Gesellschaft Schweiz – Liechtenstein, 1985 Ehrenmitglied. Bereits im Krieg mit Wirtschafts- und Versorgungsfragen befasst, war Vogt auch nach 1945 wirtschaftspolitisch tätig, namentlich als Sekretär der Industrie- und Handelskammer 1949–59. Er publizierte mehrere Aufsätze zu historischen und wirtschaftlichen Themen. Vogt erhielt 1939 das Komturkreuz des fürstlich liechtensteinischen Verdienstordens und 1965 von Fürst Franz Josef II. den Titel «Fürstlicher Justizrat».
Umstritten im populären Urteil und in der historischen Literatur ist Vogts politische Rolle während der Periode der 1930er und 40er Jahre. Vogt lehnte sich als Politiker des LHD an Rhetorik und Programmatik deutschvölkischer und antiliberaler Bewegungen, namentlich der NSDAP, an. Vogt zählte nach der Gründung der VU zum einflussreichen, deutschfreundlichen Heimatdienst-Flügel der Partei. Dieser Flügel unter VU-Parteipräsident Otto Schaedler war in den 1930er Jahren zur Anpassung an Hitlerdeutschland bereit. Nach dem Eintritt in die Regierung Hoop 1938 hielt Vogt weiterhin Verbindung zu reichsdeutschen Funktionären und baute sie über seine Amtsstellung und durch informelle Kontaktnahmen weiter aus. Letztere wurden nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs Gegenstand polizeilicher und staatsanwaltlicher Untersuchungen in Liechtenstein und in der Schweiz. Sie führten in Liechtenstein zur Erwägung einer Ministeranklage gegen Vogt. Die Schweiz verhängte über Vogt vom April 1946 bis zum Dezember 1947 eine Einreisesperre.
Vogts Sympathien für autoritäre Systeme, besonders Hitlerdeutschland, waren durch parteistrategische Überlegungen, wirtschaftliche Pragmatik und Rückbindung an die mehrheitlich schweizorientierte Parteibasis der VU gebrochen. Im März 1939 war Vogt massgeblich an der Vereitelung des nationalsozialistischen Anschlussputsches beteiligt. Vogt baute ab 1940 seine eigenen Linien im Rahmen einer taktierenden liechtensteinischen Beschwichtigungs- und Anpassungspolitik aus. Letztere folgte – ähnlich wie in der Schweiz – der deutschen Kriegskonjunktur. Vogts Haltung war zeitweilig schwankend; vom Sommer 1940 bis Frühjahr 1941 erwog er die Möglichkeit eines Wirtschaftsanschlusses an Deutschland und sondierte diesbezüglich insgeheim beim Sicherheitsdienst (SD) und im Auswärtigen Amt. Eine freundschaftliche Verbindung Vogts bestand zu SD-Vertretern aus Stuttgart, vorab zu Klaus Huegel. Die Volksdeutsche Mittelstelle (VoMi), mit der Vogt ebenfalls verkehrte, betrachtete ihn als ihren «Vertrauensmann». Vogts Kontakte waren ambivalent; sie waren dem SD und der VoMi nützlich, andererseits ermöglichten sie Vogt und der Regierung die Kontrolle der nationalsozialistischen Volksdeutschen Bewegung in Liechtenstein (VDBL).
Literatur
- Peter Geiger: Kriegszeit. Liechtenstein 1939 bis 1945, 2 Bände, Vaduz/Zürich 2010.
- Peter Geiger: Krisenzeit. Liechtenstein in den Dreissigerjahren 1928–1939, 2 Bände, Vaduz/Zürich 1997, 22000.
- Jürgen Schremser: «Der einzige Mann, der die Sache auf sich nehmen könnte ...». Zur Rolle von Dr. Alois Vogt in den liechtensteinisch-deutschen Beziehungen 1938 bis 1945, in: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein, Bd. 98 (1999), S. 49–108.
- Horst Carl: Vom Handlungsspielraum eines Kleinstaates – zu Gerhard Krebs: Zwischen Fürst und Führer. Liechtensteins Beziehungen zum «Dritten Reich», in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 8 (1989), S. 486–493.
Zitierweise
<<Autor>>, «Vogt, Alois», Stand: 31.12.2011, in: Historisches Lexikon des Fürstentums Liechtenstein online (eHLFL), URL: <<URL>>, abgerufen am 10.2.2025.
Normdaten
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