
Zensur
Autor: Wilfried Marxer │ Stand: 31.12.2011
Zensur ist der Versuch eines Staats oder einer Gemeinschaft (besonders der Kirche), Meinungsäusserungen in öffentlichen Reden, Druckerzeugnissen, Presse, bildlichen Darstellungen, Musik, Theater, Filmen, Rundfunk, Fernsehen, Internet und anderen Massenmedien zu unterdrücken oder im eigenen Sinn zu steuern. Zensur wurde in Liechtenstein ausgeübt als Begleiterscheinung politischer Auseinandersetzungen, zur Wahrung der Ordnung und Sicherheit, zur Durchsetzung von obrigkeitlichen Interessen und religiös-katholischen Wertvorstellungen sowie aus Gründen der Ethik und des Jugendschutzes.
Eingebettet in die Rechtsordnung des römisch-deutschen Reichs (u.a. Druckzensurverordnung von 1515, Reichspolizeiordnungen) und später des Deutschen Bunds (u.a. Karlsbader Beschlüsse von 1819) wirkten über Jahrhunderte Zensurbestimmungen indirekt von aussen nach Liechtenstein, welches als ländliche Randregion mit wenig gebildeter Bevölkerung nicht im Brennpunkt der Zensur stand. Nachweisliche Zensurakte erfolgten z.B. mit der Entwicklung des Schulwesens (Verbot eines Schulbuchs 1789), anlässlich der Unruhen von 1831/32 oder in der Revolution von 1848 (zeitweilige Beschlagnahmung der 1847 erschienenen «Geschichte des Fürstenthums Liechtenstein» von Peter Kaiser und Verbot des Buchs für den Schulunterricht).
Die Verfassung von 1862 sah im Grundsatz die Pressefreiheit vor. Das diesbezügliche Gesetz wurde jedoch nie verabschiedet. Der Landesverweser versuchte, die kaum entwickelte Presse zu kontrollieren. 1894/95 kam es zu einer von Protesten begleiteten allgemeinen Zensur des «Liechtensteiner Volksblatts». 1916 drohte Landesverweser Leopold Imhof den «Oberrheinischen Nachrichten» mit Zensur. In der Zeit des Ersten Weltkriegs fand besonders eine Kontrolle des Brief- und Postverkehrs statt, die von den österreichischen Behörden ausgeübt wurde. Sämtliche ins Ausland gehenden Postsendungen unterlagen der militärischen Überprüfung.
Die Verfassung von 1921 garantierte eine weitgehende Pressefreiheit. In den 1930er und 40er Jahren folgten dennoch Massnahmen gegen die Pressefreiheit, gestützt auf das Vollmachtengesetz und die Verordnung betreffend Beschlagnahme und Verbot von Druckschriften von 1933. Unter Beschlagnahme fielen vereinzelt die «Liechtensteiner Nachrichten» und die «Liechtensteinische Arbeiter-Zeitung» sowie besonders der zeitweilig verbotene nationalsozialistische «Umbruch». 1939 wurden Flugblätter ausdrücklich der Zensur unterstellt.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden diese Verordnungen wieder aufgehoben. Eine staatliche Filmzensur bestand bis 1970 (→ Kino). Die Zensur entwickelte sich von einem kirchlichen und politischen Kontrollinstrument zu einer dem Grundrechts- und Jugendschutz dienenden Massnahme. So kann heute Zensur zur Bekämpfung rassistischer, menschenverachtender, gewalt- oder kriegsverherrlichender oder sexistisch-pornografischer Darstellungen ausgeübt werden; gesetzliche Grundlage dazu sind das Jugendgesetz (1979) und das Strafgesetz (Revision 1990).
Literatur
- Wilfried Marxer: Zensur im Gebiet des heutigen Fürstentums Liechtenstein, in: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein, Bd. 104 (2005), S. 137–174.
- Wilfried Marxer: Medien in Liechtenstein. Strukturanalyse der Medienlandschaft in einem Kleinstaat, Schaan 2004 (= Liechtenstein Politische Schriften, Bd. 37), S. 126–129.
- Peter Geiger: Krisenzeit. Liechtenstein in den Dreissigerjahren 1928–1939, Bd. 1, Vaduz/Zürich 1997, 22000, S. 480–485.
- Wolfram Höfling: Die liechtensteinische Grundrechtsordnung. Eine kritisch-systematische Bestandsaufnahme der Rechtsprechung des Staatsgerichtshofs unter Berücksichtigung der Grundrechtslehren des deutschsprachigen Raumes, Vaduz 1994 (= Liechtenstein Politische Schriften, Bd. 20). S. 131–138.
Medien
Zitierweise
<<Autor>>, «Zensur», Stand: 31.12.2011, in: Historisches Lexikon des Fürstentums Liechtenstein online (eHLFL), URL: <<URL>>, abgerufen am 16.2.2025.