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Version vom 21. April 2021, 13:12 Uhr
Autor: Redaktion | Stand: 31.12.2011
Die 1931 in Mauren eingebürgerten jüdischen Brüder Alfred (1886–1933) und Fritz (*1888, 1944 für tot erklärt) Schaie, die sich mit Künstlernamen Rotter nannten, besassen in Berlin mehrere Theater. Diese gingen 1933 unter antisemitischem Druck Konkurs. Die deutsche Presse warf den sich ab Anfang 1933 in Liechtenstein aufhaltenden Brüdern Rotter vor, der Bankrott sei betrügerisch erfolgt, und forderte – anders als die deutsche Justiz, deren Ermittlung gegen die Brüder Rotter praktisch ergebnislos verlief – ihre Auslieferung, wobei sie auch Liechtenstein und dessen Einbürgerungsrecht attackierte.
Angestachelt durch diese Pressekampagne beschlossen im März 1933 die vier liechtensteinischen Nationalsozialisten Rudolf Schädler, Franz Roeckle, Peter Rheinberger (1913–1997) und Eugen Frommelt (1907–1970), Alfred und Fritz Rotter nach Deutschland zu entführen und der Justiz zu übergeben. Diese Aktion sollte zugleich den Auftakt zur Gründung einer liechtensteinischen nationalsozialistischen Bewegung bilden. Am 5.4.1933 lockte Schädler das Ehepaar Alfred und Gertrud Rotter sowie Fritz Rotter und dessen Begleiterin Julia Wolf ins Alpenkurhaus «Gaflei», wo die Attentäter, zu denen auch fünf von Rheinberger angeheuerte Deutsche gehörten, sie zu überwältigen versuchten. Der Anschlag misslang, aber die zu Fuss flüchtenden Alfred und Gertrud Rotter stürzten in einem nahen Tobel zu Tode, Julia Wolf wurde schwer verletzt. Fritz Rotter konnte die liechtensteinische Regierung verständigen. Rheinberger und die fünf Deutschen wurden auf der Flucht in Götzis (Vorarlberg) gefasst, die anderen drei Täter in Liechtenstein verhaftet.
Am 8.6.1933 wurden die vier liechtensteinischen Täter in einem viel beachteten öffentlichen Kriminalprozess wegen versuchten Menschenraubs zu milden Kerkerstrafen zwischen vier Monaten und einem Jahr verurteilt. Im Prozess wurden aus Rücksicht auf Deutschland die politischen Hintergründe der Tat ausgeblendet. Der Rechtsanwalt Wladimir Rosenbaum durfte sein Plädoyer, in dem er das NS-Gewaltsystem kritisierte, nicht verlesen. Freunde und Bekannte der Rotter-Attentäter hatten im Land vorher über 700 Unterschriften für eine Begnadigung gesammelt. In Konstanz wurden vier der deutschen Mittäter zu drei Monaten Haft verurteilt. Im Oktober 1933 fand auf Wunsch der liechtensteinischen Regierung eine Aussprache mit deutschen Behördenvertretern statt. Sie erreichte das Ende der deutschen Presseangriffe, musste aber der vorzeitigen Entlassung der noch inhaftierten Schädler und Rheinberger zustimmen. Nach der Rotter-Entführung stoppte die Regierung die Finanzeinbürgerungen vorerst. 1934 trat ein neues Bürgerrechtsgesetz in Kraft, das die ausländische Kritik an der liechtensteinischen Einbürgerungspraxis berücksichtigte.
Die Rotter-Entführung mit ihren Weiterungen wurde als «Rotteraffäre» bezeichnet, worin Kritiker in jüngster Zeit eine Verharmlosung sahen. Die Rotter-Entführung wirkte als Schock in Liechtenstein; als eine Folge unterblieb die Gründung einer einheimischen NS-Partei bis 1938. «Rotter» wurde in Liechtenstein zu einem Topos, zum Inbegriff antisemitischer und nationalsozialistischer Gewalt.
Literatur
Geiger: Krisenzeit 22000, Bd. 1, 342–358, Bd. 2, 51–60; U. Jud et al.: Zur Erstveröffentlichung des Rosenbaum-Plädoyers, in: JBL 103 (2004), 1–95; P. Kamber: Zum Zusammenbruch des Theaterkonzerns der Rotter und zum weiteren Schicksal Fritz Rotters, in: JBL 106 (2007), 73–100.
Zitierweise
Redaktion, «Rotter-Entführung», Stand: 31.12.2011, in: Historisches Lexikon des Fürstentums Liechtenstein online (eHLFL), URL: https://historisches-lexikon.li/Rotter-Entführung, abgerufen am 26.9.2023.
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